LESERINNENBRIEFE
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An der Problematik vorbei

■ betr.: „Politik muss einladender sein“, taz vom 6. 4. 13

Über den peinlichen Einstieg der Antworten von Frau Göring-Eckardt zu einem Detail der privaten Organisation ihres Lebens, das dann allerdings als „Erfindung“ verkauft wird, könnten wir noch mit einem Augenzwinkern hinwegsehen. Doch die Auffassung von Frau Göring-Eckardt zur Partizipation von Bürgern (Bürgerinnen kennt sie nicht) zeigt, dass sie von wirklicher Beteiligung einfach keine Ahnung hat. Ihre Ausführungen zu Beteiligungslücken während des Gesetzgebungsverfahrens zur Agenda 2010 sind geradezu gefährlich naiv. Davon zu sprechen, dass mit einem Beteiligungsverfahren „Betroffenen viel Ärger“ erspart hätte werden können, zeigt, dass sie mit „viel Ärger“ wohl den Abstieg in die Armutsfalle mit Hartz IV meint. Weiß Frau Göring-Eckardt nach zehn Jahren Erfahrung mit der Agenda 2010 nicht, welche sozioökonomischen Auswirkungen damit verbunden waren und sind? Dann: „Wir gingen davon aus, dass Mitarbeiter (auch hier keine Frauen) arbeitslose Menschen sehr gern individuell betreuen und beraten würden.“ Dies zeugt davon, dass Frau Göring-Eckardt keinerlei Kenntnisse über die Situation der MitarbeiterInnen in den Arbeitsämtern hatte. BerufsberaterInnen waren und sind wohl zumindest rudimentär in Beratungsmethoden geschult. Die Jobcenter jedoch wurden mit den ehemaligen VerwaltungsmitarbeiterInnen, die u. a. davor für die Sozialhilfe zuständig waren, ausgestattet. Diese haben nicht beraten, sondern das war Aufgabe der SozialarbeiterInnen in den Allgemeinen Sozialdiensten. „Leute, die Verwaltungsfachangestellter gelernt hatten, mussten plötzlich Aufgaben eines Sozialarbeiters wahrnehmen.“ Dieser Analyse könnte noch zugestimmt werden, auch hier waren es mindestens zur Hälfte der Fachangestellten Frauen und in den Sozialdiensten meist circa 80 Prozent. Die entwickelte Intervention jedoch, bei Beteiligung der Betroffenen wären andere Fristen’ für den Einführungsprozess gesetzt worden und „Lehrgänge“ für die Verwaltungsfachangestellten entwickelt worden, gehen völlig an der Problematik vorbei.

Eine Verwaltungsfachangestellte oder ein Verwaltungsfachgestellter kann nicht in einem Lehrgang Beratungskompetenz erwerben, um im Rahmen des Fallmanagementes Bewertungen zu sozialen und psychischen Problemen der Bürgerinnen und Bürger treffen zu können. Es ist vermessen, in einem Lehrgang die professionelle Kompetenz von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern vermitteln zu wollen. Das entspricht ungefähr dem Niveau der Aussage eines Sozialdiakons in einem Konflikt zum Thema Begleitung des Konfirmationsunterrichts durch einen Sozialarbeitspraktikanten: „Sozial ist alles, wenn mit Menschen kommuniziert wird.“ Die Belange von BürgerInnen werden bei der Beteiligung von Verwaltungsfachangestellten zudem gar nicht vertreten.

„Der Staat muss die Bürger wie Freunde einladen, mit denen er gern redet.“ Im Privaten können wir unverbindlich Themen abhandeln, und das bei einem guten Espresso oder Wein. Wenn es um komplexe Prozesse der Führung eines Staates in einem demokratischen System geht, dann muss bitte eine Beteiligung professionell organisiert werden. Und selbstverständlich muss in einem Beteiligungsverfahren die Machtfrage gestellt werden, und diese hat wenig mit einem Freundschaftsverhältnis zu tun.

WALTRAUD DÜRMEIER, SILKE VLECKEN, München

Alte und neue Feindbilder

■ betr.. „Verlorene Leben“ (M. Hauser), taz vom 5. 4. 13, „Vorgeschichte wird ausgeblendet“, Leserbrief M. Kopsidis, taz vom 6. 4. 13

Monika Hauser hat eine nachdenkliche und differenzierte Filmkritik geschrieben. Der Vorwurf von Leser Michael Kopsidis, Monika Hauser würde indirekt die monströsen Verbrechen der Nationalsozialisten relativieren, ist bösartig. Woher nimmt Leser Michael Kopsidis sich das Recht auf Rache. Waren „alle“ Frauen in Deutschland Nazi-Täter und haben dem „Führerkult gefrönt“? War die Massenvergewaltigung – und teilweise Ermordung – daher nur eine „gerechte“ Bestrafung? Pauschalurteile dienen nicht der Aufklärung; Verständigung und befördern alte und neue Feindbilder.

MARKUS ERICH-DELATTRE, Hamburg

Schockierende Ausführungen

■  betr.: „Vorgeschichte wird ausgeblendet“, taz vom 6. 4. 13

Ich finde Herrn Kopsidis’ Ausführungen schockierend. Glaubt er, es gebe einen Unterschied zwischen der Vergewaltigung einer „guten“ und einer „bösen“ Frau? Ob Jüdin oder Nazifrau, ob Hutu oder Tutsi, für jede Frau ist eine Vergewaltigung ein traumatisches Erlebnis, das möglicherweise Verletzungen bis zum Lebensende mit sich bringt. Und die Täter bei kriegsbedingten Vergewaltigungen sind auch auf allen Seiten der Fronten zu finden. Frau Hauser hat in ihrem Artikel eindeutig von einem Denkmal für „alle weibliche Opfergruppen“ gesprochen, nicht nur von Vergewaltigungen im Zweiten Weltkrieg. Sie passieren heute noch in fast jedem Krieg.

MICHAELA CHALLAL, Kassel

Von Männern gehört

■ betr.: „Kein Strip im ‚Egoistka‘ “, taz vom 8. 4. 13

An solche Dinge, wie Barbara Dribbusch sie von Männern gehört hat, kann ich mich auch gut erinnern. Da muss ich auch gar nicht weit in die Vergangenheit gehen. Wenn ich mich persönlich von fleischbeschauenden Männern beleidigt oder in meiner Würde verletzt fühlte, durfte ich mir anhören, dass ich wohl kein gutes Verhältnis zu meinem Körper oder auch meiner Weiblichkeit hätte.

KATJA HÖRTER, Remscheid