soundtrack

Als vor einigen Jahren Heinz Karmers Tanzcafé für immer seine Pforten schloss, bekamen viele Leute wirklich richtig Schiss: „Das ist das Ende“, hieß es überall, „das Ende ist nah. Wo sollen wir jetzt die Independent Clubkultur zelebrieren in unseren hippen Klamotten in gedeckten Farben?“

Natürlich kam alles ganz anders. Bis heute besuchen junge und nicht ganz so junge Menschen Konzerte, die auf nicht allzu großen Bühnen stattfinden, bejubeln Bands, die außer ihnen niemand kennt, und sagen Jahre später, wenn dieselben Musiker die Color Line Arena füllen, Sätze wie: „Die habe ich damals schon gesehen, als sie noch vor 30 Leuten in der Weltbühne gespielt haben.“ Das wird immer so sein, bis der Golden Pudel Club dereinst seine Pforten für immer schließt und die Musik dann doch stirbt.

Warum kurz vor Heiligabend diese unheiligen Gedanken? Weil uns auch zu diesem Jahresende Etablissements verlassen werden, derer noch eine Weile gedacht werden wird. Die Weltbühne zum Beispiel. Zu Silvester sorgen Egoexpress für den elektronischen Sound, wenn der Laden von den Gästen abgerissen, die Sitzecke zu Sperrholz verarbeitet und die herrlich sinnlose Rolltreppe erst- und letztmals in Gang gesetzt wird. Und weil es so schön ist, wenn Mense Reents, einer der beiden Herren, die bei Egoexpress hinter den elektronischen Frickel- und Krachgeräten stehen, Musik macht, kommt er gleich an diesem Abend zum Einsatz.

„Was machen Huah! jetzt?“ werden sich in den vergangenen Jahren einige Menschen gefragt haben, denn so hieß die Debüt-LP jener Band, der auch Mense Reents angehörte. Er, Knarf Rellöm, Bernadette La Hengst, die Ex-Mobylette Nixe und Sonny Motor finden sich jetzt zusammen, um nach Jahren einmal gemeinsam auf der Bühne zu stehen.

Ebenfalls Abschied nehmen müssen wir von der Astra-Stube. Zumindest die Betreiber wechseln. Grund genug, noch einmal all die erfolgreichen Veranstaltungen zu besuchen, von der Carlos Pinto Show über den Reggae Club mit Silly Walks bis zu einem der letzten Konzerte mit wem auch immer. Auch da gilt: Wer all die Musiker kennt, die hier schon aufgetreten sind, braucht sich keine Sorgen mehr um seine Freunde zu machen. Der hat nämlich keine mehr, weil er für sie keine Zeit mehr hatte. Und natürlich kann man auch hier das Jahr beenden: Zu Silvester bleibt kein Backstein an der Wand trocken.

Auch das Jahr gilt es zu verabschieden. Das kann man aber auch schon etwas früher tun. Am 24. zum Beispiel und ganz traditionell. Jamaica Papa Curvin tritt wie immer zum Christfest in der Markthalle auf, bringt ein paar Gäste mit und lässt einen beschwingt in die Zeit zwischen den Jahren fliegen. Reggae satt und Ragout fin, das perfekte Weihnachtsmenü für den unabhängigen Nonkonformisten.

Es geht aber auch anders: Wer eine Karte hat, kann auch in die Color Line Arena gehen und sich Fettes Brot anhören. Denn das Konzert ist mit schätzungsweise 100.000 Besuchern ausverkauft. Das größte Heimspiel der Hamburger HipHopper, da muss ein bisschen Alliteration schon sein. Die Zuschauer werden dabei sein, wenn die Jungs nach 13 Jahren zum ersten Mal eine goldene LP überreicht bekommen. Aber Doktor Renz haben wir ja schon gesehen, als er noch mit den Poets of Peeze im Bahnhof Hittfeld ... oder war das doch die Jam in Lüneburg ... oder in diesem dubiosen Tanzcafé ...? Eberhard Spohd

Huah!: Do, 22.12., 21 Uhr, Weltbühne Fettes Brot: Do, 22.12., 20 Uhr, Color Line ArenaJamaica Papa Curvin: Sa, 24.12., 22 Uhr, Markthalle Carlos Pinto Show extralang: So, 25.12., 22 Uhr, Astra Stube Silly Walks: Mi, 28.12., 22.30 Uhr, Astra Stube Egoexpress: Sa, 31.12., 22 Uhr, Weltbühne