An den Grenzen der Souveränität

POLITISCHES KINO Diese Woche startet das achte Globale Filmfestival. In den gezeigten Werken geht es um Missstände in der globalisierten Wirtschaft, Protestbewegungen und Elendsmigration

Es ergeben sich vielfache Formen „nackten Lebens“ von Menschen, die ohne Papiere, ohne Rechte enden

VON BERT REBHANDL

Das rumänische Dorf Rosia Montana liegt idyllisch in den verschlungenen Tälern der Westkarpaten. Doch nun ist das Leben in der kleinen Welt bedroht: Der kanadische Konzern Gold Corporation plant Bergbau in großem Stil, mit dem Ergebnis riesiger Abraumbecken, aus denen das bei der Goldgewinnung verwendete Zyanid ins Grundwasser zu gelangen droht. Fabian Daub hat diese Problematik zu einem Anlass für einen Dokumentarfilm über „Rosia Montana“ genommen.

Dabei versucht der Filmemacher, beiden Parteien in dem Konflikt gerecht zu werden: So spricht sich ausgerechnet ein Arzt, der privat die umgebende Landschaft malt, für das Projekt aus, und auch die Umsiedlung nach Albia Iulia kann man mit viel gutem Willen als Fortschritt sehen. Doch als auch noch der korrupte Staatspräsident Basescu ins Spiel kommt (er missachtet zugunsten der Investoren sogar die Verfassung, stellt ein Kritiker fest), wird deutlich, dass Rosia Montana ein herausragendes Exemplum nicht nur für die Probleme des postkommunistischen Rumäniens, sondern der ganzen globalisierten Wirtschaftsordnung ist. Der Film passt also hervorragend in das Programm der „Globale“, die es sich wieder zur Aufgabe gemacht hat, politisches Kino aus allen Teilen der Erde zu zeigen.

Zum achten Mal findet das Globale Filmfestival statt, Spielstätten sind das Eiszeit und das Regenbogenkino, und die Vielfalt der Themen wie auch die historische Schärfentiefen der Auswahl sind beeindruckend. Zu „Rosia Montana“ könnte man sich etwa „Abschied von Matjora“ ansehen, einen sowjetischen Umsiedlungsfilm aus dem Jahr 1979, der zeigt, wie die kommunistische Planwirtschaft gleichermaßen über die Menschen hinweg nach technokratischen Lösungen suchte. Schepitko war eine ganz besondere Filmkünstlerin, sie wählte die Form eines Spielfilms.

Insgesamt herrschen bei der „Globale“ aber natürlich die dokumentarischen Formate vor, und häufig sind es solche, die auf den technischen Möglichkeiten der jüngeren Zeit beruhen: Handycams spielen eine wichtige Rolle in Protestbewegungen, wie sie etwa in „Izqat al Nizam“ zu sehen sind. Ein italienisches Team verschafft sich hier einen Eindruck vom Aufstand in Syrien, indem es mit Flüchtlingen in der südöstlichen Türkei spricht und deren audiovisuelle Bestände auswertet. Zu jedem Film auf der „Globale“ gibt es im Programm eine Reihe von Schlagworten. Im Falle von „Izqat al Nizam“ lauten diese: Syrien, Krieg, Flucht, Bewegungsfreiheit. Im Falle von „Mare Chiuso“ sind die Stichworte: Flucht, Asyl, Rassismus, Arabische Revolution. Es geht um die italienische Politik, Flüchtlinge aus Libyen abzufangen und zurückzuschicken. Die Grenzen staatlicher Souveränität bilden im mehrfachen Sinn dieses Worts eine Nahtstelle vieler Filme auf der „Globale“. Denn einerseits rüsten die wohlhabenden Staaten zur Absicherung ihrer territorialen Grenzen ständig auf, andererseits erweisen sich die Landesgrenzen vielfach als porös, und so ergeben sich vielfache Formen „nackten Lebens“ von Menschen, die ohne Papiere, ohne Chancen, ohne Rechte enden (beispielhaft dafür ist Miriam Fassbenders „Fremd“).

Die großen Städte sind meistens das Ziel der zentripetalen Bewegung, sie werden zu Laboratorien künftiger Vermittlungen zwischen Wachstumsdynamiken und Elendsmigration (sehenswert hier etwa „Ecumenopolis: City without Limits“ von Imre Azem, über Istanbul). In „Even Birds Need a Nest“ dokumentieren Christine Chansou und Vincent Trintignant-Corneau entsprechende Prozesse in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, wo die Logiken ganz ähnlich sind wie in Rumänien: nach der Überwindung einer kommunistisch-totalitären Phase setzen sich nun neoliberale Muster durch. Die Filme, die auf der „Globale“ zu sehen sind, legen immerhin Zeugnis ab von und für Menschen, denen häufig die Mittel für ihren Widerstand fehlen. Sie hängen so auch von der Bewusstseinsbildung in den reichen Ländern ab.

■ Globale Filmfestival: 11.–17. 4. Infos: www.globale-filmfestival.org