schnee, schnee, schnee
: Der Einbruch der Natur in die Stadt

Geben wir’s ruhig zu. Als gelernte Großstädter interessiert uns das Wetter sonst so viel wie der DAX oder die jüngste Meldung des Statistischen Landesamts. Wenn die Sonne scheint, scheint die Sonne. Wenn es trüb ist, trübt es, wenn es regnet, klappen wir die Schirme auf. Das Wetter ist halt, wie es ist – außer im Sommer auf Balkonien, aber das ist eine andere Geschichte.

KOMMENTARVON UWE RADA

Fällt dagegen der erste Schnee, geraten alle aus dem Häuschen. Die Kleinen ziehen ihre Wollmützen auf, die Großen waren zuvor in den Kaufhäusern, die letzten Schlitten zu ergattern. Selbst die taz kommt nicht umhin, die schönsten und schnödesten Rodelbahnen der Stadt zu bewerten.

Woher der plötzliche Sinnesumschwung? Kommt mit dem Schnee die Natur in die Stadt zurück? Sind wir alle plötzlich wetterfühlig wie unsere Artgenossen auf dem Lande?

Oder ist alles – sorry – doch nur Statistik? Läge Berlin, sagen wir einmal, in Island, dann wäre eine stabile Hochwetterlage mit Sonnenschein eine ähnliche Ausnahmeerscheinung. Und sie würde gleichermaßen das Gedächtnis mobilisieren wie der Schneefall in Berlin. Wann war das mit dem eingeschneiten Auto? Dem FIS-Weltcup auf dem Teufelsberg? Dem Besuch der Schwiegereltern im schneebedeckten Hinterhof? Schneelagen sind, so gesehen, auch ein Einbruch der Vergangenheit in die allmächtige Gegenwart des Sonstewetters. Und natürlich ein Eintauchen in die Kindheit, in die heile Märchenwelt von Frau Holle und „Leise rieselt der Schnee“. All dem kann natürlich keine Statistik beikommen. Wohl aber ein Wetterbericht. Wenn es an Silvester und Neujahr wieder regnet, ist es aus mit dem Einbruch der Natur in die Stadt. Dann herrscht wieder Wetter.

Bis zum nächsten Mal.