Licht schon vor Ende des Tunnels

Regina Heygster will aus dem Rembertitunnel ein Denkmal interreligiöser Verständigung machen. Wenn die Finanzierung steht, wird man unter einem Sternenhimmel in die City flitzen

Bremen taz ■ Die Decke ist erdrückend nah. Orangefarbenes Licht zittert, als traute es sich nicht aus den Neonlampen hervor. An den Wänden sind zahllose Rinnsale getrocknet, über deren Entstehung man lieber nichts wissen möchte.

Der 1914 erbaute Rembertitunnel ist keine Schönheit. Die Jugendstil-Fronten mit den Pilastern, die sich zu seiner Ehrenrettung anführen ließen, bemerkt kaum ein Durchfahrender. Das soll anders werden – wenn es nach Regina Heygster geht, schon im kommenden Jahr. Dann soll sich die Tunneldecke in einen gewölbten Himmel verwandeln, an dem sechs gelbe Kreise als Planeten leuchten: Symbole für sechs in Bremen vertretene Weltreligionen. Mit Vertretern der Religionsgemeinschaften hat Regina Heygster einen Verein gegründet, der den Tunnel zu einem Denkmal friedlichen Miteinanders umgestalten will.

Die Idee kam der Graphikdesignerin nicht beim täglichen Durchqueren des Tunnels, der quasi vor ihrer Haustür liegt. Auslöser, sagt sie, war vielmehr ihr Engagement in der Hospizbewegung. Das Licht am Ende des Tunnels ist ein Bild für die Hoffnung, die Menschen in Krisen oder in der Nähe des Todes empfinden. „Architektonische Tunnel erleben viele anders: Die lösen Beklemmung aus.“

Ausgerechnet an einem solchen Ort feiert der Verein die „Tunnelbegegnungen“. Dann wird der Rembertitunnel gesperrt, Stühle und Bühne aufgebaut, Kulturschaffende und Religionsvertreter geladen. Kommt da Partystimmung auf? „Das ist gar nicht gewollt“, sagt Regina Heygster. Es geht um einen Dialog.

Für Februar 2006 steht eine „Visualisierung“ ihrer Pläne an: Heygsters Entwurf wird auf Stoffbahnen in Originalgröße gedruckt und am Tunnel aufgehängt. Mit dem Beginn der baulichen Umgestaltung rechnet die Initiatorin im Sommer. Finanziert wird das Projekt durch Spenden. „Vom Kultursenator kommt eine Finanzspritze. Wir streben an, dass etwa ein Fünftel der Kosten aus öffentlichen Mitteln beigesteuert wird“, sagt Regina Heygster.

Sie versteht ihr Werk weder als Projekt zur Stadtverschönerung noch als Kunstwerk – eine Haltung, die jeglicher ästhetisch motivierten Kritik im Vorab den Wind aus den Segeln nimmt. „Unbewusst positiv“ soll das Tunnelgemälde auf den Durchrasenden wirken, der aufmerksame Spaziergänger soll sich hingegen die Frage nach der Botschaft stellen. Und die lautet? Für „hanseatische Weltoffenheit“ steht die Friedenstaube mit dem Bremer Schlüssel im Schnabel, die den stadteinwärts Fahrenden begrüßt. An der zur Stadt gewandten Front schafft das kulturübergreifende Symbol des Lebensbaums ein Identifikationsangebot für Hanseaten, die sich keiner Religion verbunden fühlen.

Unter Bremer Hindus wurde diskutiert, ob man die Tunneldecke als Himmel gestalten sollte, berichtet Nepal Lodh, Präsident der deutsch-indischen Hindu-Gesellschaft. „In unserer Vorstellung ist Gott in jedem Menschen, aber nicht über den Wolken.“ Schließlich aber leben alle Menschen unter dem gleichen Himmel, das hat die Gemeinschaft überzeugt.

Ausgangspunkt ihrer Initiative, sagt Heygster, war der 11. September 2001. Sie wollte durch ein solidarisches Projekt zeigen, dass Intoleranz dem Geist der Religionen widerspricht. Ist ihr Entwurf aber nicht reichlich idealistisch angesichts der Gewalt, die seither im Namen der Religion verübt wurde? Regina Heygster pariert den Einwand souverän. „Wenn die Hoffnung des Miteinanders nur in diesem Tunnel existiert, sind wir schon einen Schritt weiter.“

Annedore Beelte