Chrobog bis Samstag frei?

Es spricht einiges dafür, dass die Geiselnahme von Jürgen Chrobog und seiner Familie schnell beendet werden kann

VON JENS KÖNIG

Es waren vor allem zwei Umstände, die auf ein friedliches und schnelles Ende der Entführung von Jürgen Chrobog und seiner Familie hoffen ließen. Zum einen verliefen Geiselnahmen westlicher Touristen im Jemen in den letzten Jahren fast immer unblutig. Und zum anderen verfügen die Opfer, sofern das bei einer Entführung überhaupt hilfreich sein kann, über ausreichend Erfahrung, um mit dieser Extremsituation einigermaßen professionell umgehen zu können. Jürgen Chrobog, bis Sommer 2005 Staatssekretär im Auswärtigen Amt, war schließlich selbst jahrelang Chef des Krisenstabes seines Ministeriums. Der Karrierediplomat war es, der dutzende Entführungsfälle mit deutschen Opfern löste, der mit Regierungen und Mittelsmännern verhandelte, der die Übergabe der Geldkoffer organisierte. Wenn einer aus eigenem Erleben weiß, wie der Krisenstab arbeitet, wie man sich als Geisel der Situation angemessen verhält, welche Fehler man besser vermeidet – dann Chrobog.

So schienen die Meldungen den gestrigen Tag über nur folgerichtig zu sein. Chrobog, seine Frau Magda Gohar-Chrobog, Tochter des ägyptischen Schriftstellers Youssef Gohar, sowie deren drei erwachsene Söhne sollten noch im Laufe des Donnerstags freigelassen werden, hieß es. „Sie werden unversehrt und zügig freikommen“, sagte gestern ein Vertreter der jemenitischen Regierung. Die örtlichen Behörden stünden in Kontakt mit dem Stamm, dem die Entführer angehörten. Doch zumindest bis zum Abend blieb die Nachricht von der Freilassung der Familie Chrobog aus.

Details über die Entführung waren weder in Berlin noch in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa zu erfahren. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes arbeitet wie gewohnt: rund um die Uhr, professionell, aber auch diskret. Einige Informationen sickerten jedoch über Medien durch. Nach allem, was bisher bekannt ist, war die Familie Chrobog auf einer den Sicherheitsregeln entsprechend abgesicherten Privatreise am Mittwoch in der Provinz Schabwa entführt worden. Die Chrobogs reisten auf Einladung der jemenitischen Regierung durch das Land – was die Bemühungen um ihre Freilassung zusätzlich verstärken dürfte. Hintergrund der Geiselnahme ist offenbar eine blutige Stammesfehde. Die ARD meldete, den Entführten gehe es gut. Dem Kairo-Korrespondenten des Senders war es wohl gelungen, mit dem ebenfalls verschleppten Fahrer von Chrobog zu telefonieren.

Auch die Entführer selbst, die zum Stamm al-Abdallah ben Dahhan gehören sollen, gaben mehreren Agenturen sowie dem Yemen Observer Interviews. Ihre einzige Forderung, so sagten sie, sei die Freilassung von fünf inhaftierten Familienmitgliedern, denen wegen der Tötung von Angehörigen eines rivalisierenden Clans der Prozess gemacht wird. Um den Druck auf die Zentralregierung in Sanaa zu erhöhen, seien die Ausländer gefangen genommen worden. Ihnen sei vorher jedoch nicht klar gewesen, um wen es sich bei den Opfern handelt. „Ihr Leben ist nicht in Gefahr. Sie sind Gäste unseres Stammes“, sagte der Anführer. Chrobogs Frau bezeichnete er als eine „ägyptische Schwester“.

Diese ungewohnte Öffentlichkeitsarbeit macht die Lösung des Falles nicht leichter. Die Entführer meldeten über jemenitische Medien gestern auch prompt das Scheitern der ersten Verhandlungen mit der Regierung. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier schaltete sich inzwischen direkt in den Fall ein. Er brach am Donnerstag seinen Urlaub ab und telefonierte mehrmals mit seinem jemenitischen Amtskollegen. Steinmeier mahnte mehr Zurückhaltung der Medien an, machte gleichzeitig aber auch Hoffnung auf eine schnelle Freilassung der Familie Chrobog. „Es braucht wie immer Geduld, Zeit und Nerven“, sagte er. „Aber ich bin mir sicher, dass wir dann noch vor Jahresende zu einem Abschluss kommen werden.“ Bis spätestens Samstag also soll der Fall erledigt sein.