Staatsanwalt lobt die Verteidigung

DEAL Der Amtsrichter bricht Beweisaufnahme im Prozess gegen Streetart-Künstler „Oz“ ab. Die Anklage ist in wesentlichen Punkten zusammengebrochen. Mildes Urteil bei Teilgeständnis angekündigt

„Und wir wären von Tatorten ausgegangen, die es gar nicht gibt“

AMTSRICHTER KLAUS WOHLRAB

Wende im Prozess gegen den Streetart-Künstler Walter Fischer alias „Oz“ vorm Amtsgericht St. Georg: Nach 42 Verhandlungstagen hat Richter Klaus Wohlrab die Beweisaufnahme abgebrochen. Zuvor hatte er die Position der Verteidiger Andreas Beuth und Ingrid Witte-Rohde in ihren Anträgen geteilt, dass Fischer „unmöglich“ für das „Scratchen“ der Schaufensterfront am Bramfelder Lidl-Markt verantwortlich ist.

Damit war der Hauptpunkt der 18 Sachbeschädigungen umfassenden Anklage vom Tisch. Der Zivilfahnder Andre H. hatte Fischer bezichtigt, am 15. Januar 2012 beim Vorbeifahren auf einem Fahrrad die Fenster mit einem durchgehenden Kratzer beschädigt zu haben. Fünf Videofilme der Verteidigung mit einer Tatrekonstruktion belegten, dass dies nicht möglich ist, da sich vor den Fenstern ein 60 Zentimeter schmaler Fußweg mit Bordstein befindet. Wäre Oz auf dem Fußweg gefahren, hätte er die Balance nicht halten können. Wenn er die Tat vor dem Kantstein aus begangen hätte, wäre sein Arm zu kurz gewesen. Andre H. hatte den Fußweg nie erwähnt und auch die Spurensicherung hat oder wollte ihn übersehen.

Bei den vorherigen Verhandlungstagen hatte Wohlrab schon angedeutet, dass die Tatvorwürfe des Malens von Tags wie Kringel und Smilies mit Wachskreide wohl nicht als Sachbeschädigung anzusehen sind. Denn ein Film hatte gezeigt, dass sie leicht mit Spülmittel entfernt werden können. Daher regte der Richter an, das Verfahren abzubrechen, wenn Oz den einzig verbliebenen Tatvorwurf der Sprüherei an einem Kiosk eingesteht. Dann hätte er lediglich mit einer Geldstrafe und trotz Vorstrafen keinesfalls mit Haft zu rechnen.

Der Staatsanwalt signalisierte Zustimmung: „Die Polizei hat unzureichend ermittelt“, kritisierte er. „Die Beweiserhebung der Verteidigung war beeindruckend“, lobte er indes. „Sonst hätten wir nie erfahren, dass da ein Gehweg ist“, pflichtete ihm Wohlrab bei. Und wir wären von Tatorten ausgegangen, die es gar nicht gibt.“ Falls Fischer dem Deal zustimmt, wird am 2. Mai das Urteil gesprochen.  KVA