Eine Art Meditation

LEKTIONEN So klappt’s auch mit: dem Holzhacken

Herr Storbeck kannte mal einen, der kam immer donnerstags und ließ den ganzen Frust der Woche raus

VON KATRIN GOTTSCHALK

Carsten Storbeck trägt eine grüne Latzhose, Schuhe mit Stahlkappe und ein Käppi, auf dem steht: „Husqvarna“, eine schwedische Motorsägenfirma – „die beste“.

Herr Storbeck kann bestens Holz hacken: Er ist Forstinspektor und leitet das Lehrkabinett am Teufelssee in Berlin-Köpenick. In der Ausbildung sind hier die BesucherInnen des Waldes. Es gibt einen Waldlehrpfad, einen Ameisenhaufen im Glaskasten, ausgestopfte Tiere des Waldes und Führungen durch das Teufelsmoor.

Das Lehrkabinett ist ein ruhiges Fleckchen Berlin. Bevor die Arbeit beginnt, trinken die Mitarbeiter Käffchen in der kleinen Küchensitzecke. Mit Holzvertäfelung an der Wand und Häkelgardine vorm Fenster. Sie sprechen über Moorfrösche, die klingen, als ob man in eine leere Colaflasche bläst. Und Wildschweine, die wie Liebstöckel riechen, also wie Maggiwürze. Und über das Holzhacken, eine destruktive Sache. Herr Storbeck kannte mal einen, der kam immer donnerstags zum Holzhacken bei ihm vorbei, „wie eine Maschine“, und ließ den ganzen Frust der Woche raus. Holz hacken als eine Art Meditation. Seine Kollegin sagt: „Man muss sich dabei nichts Ärgerliches vorstellen, aber man kann – dann geht es schneller.“

Vor dem Haus steht eine Schubkarre voller runder Holzstücke und diverser Äxte in der Morgensonne. Schuhe mit Stahlkappe, Größe 39. Orangene Handschuhe. Verbandskasten.

Mit der Karre geht es ein paar Meter tiefer im Wald: Herr Storbeck reicht die Axt, eine Iltis Canada, Modell Ochsenkopf, ein Klassiker im Holzhackgeschäft. Da steht schon ein Klotz. Wer oft Holz hackt, sägt sich den Klotz darunter auf eine angenehme Höhe zurecht. Für einmal üben ist es so gerade recht.

Drumherum muss es Platz geben, auf dem Boden, damit der Tritt fest ist, hinter dem Rücken und über dem Kopf, damit man sich nirgends verheddert. Ein Freund von Storbeck hat mal Holz unter der Wäscheleine gehackt und ist dann hängen geblieben. Das ist nicht schön.

„Rechtshänderin?“ Ja. „Dann fassen Sie mit der linken Hand unten am Griff an, die rechte sitzt unterhalb der Klinge. Während Sie die Axt auf das Holz fallen lassen, gleitet die rechte Hand dann auch nach unten.“

Herr Storbeck hat einen etwa dreißig Zentimeter hohen Klotz Robinie vorbereitet. Der ist über den Winter gut getrocknet. Das macht das Hacken einfacher. Ein sehr kräftiges Holz sei das, aber nicht besonders gut für den Wald. „Die Sorte kommt aus Amerika, die passt nicht in unser Biosystem. Da wachsen keine Pilze drauf.“ Zielen. Der erste Schlag. Die Axt sitzt fest. Also die Axt mitsamt Holz dran heben, umdrehen und mit der Rückseite der Klinge wieder auf den Klotz fallen lassen. Der Riss geht tiefer. Noch einmal. Zerspalten. Beim nächsten Schlag zerhackt das Holz mit einem Mal.

Je mehr Schläge, desto hitziger zirkuliert das Blut in den Adern. Weg mit der Strickjacke. „Die perfekte Temperatur zum Holzfällen und -hacken ist ungefähr minus 4 Grad. Alles über 10 Grad ist zu heiß.“

Hier im Wald stehen und hacken. Das läuft prächtig. Schlag um Schlag werden die Holzstücke kleiner, die Bewegungen etwas routinierter. Nebenan sitzt Herr Storbeck und meint: „Das wäre jetzt so eine 2 plus.“ Ganz wichtig: die ergonomischen Pausen. „Früher haben wir immer gesagt: Ich mach mal ’ne Ergonomische!“ Herr Storbeck kann viel reden.

Gerade hat er noch einen dicken Ast von einer 130 Jahre alten Eiche zersägt und ein schönes Stück zum Hacken vorbereitet. Ein Schlag und durch. „Das war wohl zu leicht.“ Dann ran an die Kiefer, die noch in der Schubkarre liegt. Groß und schwer ist sie, und hoch, zu hoch – sie muss direkt auf dem Waldboden zerhackt werden – mit der üppigen Spaltaxt. Was gibt es da zu beachten? „Altes Sprichwort: Das Holz reißt, wie der Vogel scheißt.“ Von oben nach unten. Dann mal los. Schlag eins, zwei, drei, vier. Da reißt gar nichts. Herr Storbeck übernimmt. Und stößt bei jedem Schlag ein „Hoa!“ aus. Das wirke befreiend, sagt er. „Probieren Sie auch mal!“ Klappt nicht. Aber es gibt ja noch ein paar Stücke Robinie zu hacken.

Anstrengend ist das. Der Kugelschreiber fällt danach förmlich aus der Hand, viel zu klein. „Man wird zum Grobmotoriker!“ Egal. Das hier ist so gut! Am Rande der Stadt, im Wald, der nach frischem Holz und ein wenig feuchtem Boden riecht. Ein paar Äste knarzen, der vielleicht erste Zitronenfalter des Jahres fliegt vorbei. Jetzt ein Haus mit Kamin haben, um das ganze Brennholz verwenden zu können! Bis dahin bleiben die Stücke in der Waldschule, zum Basteln für die Kinder. Ein kleiner Span wandert als Trophäe in eine Kreuzberger Neubauwohnung.

Letzte Woche lernte Philipp Brandstädter in unserer Reihe „Lektionen“, wie man ein Türschloss knackt: www.taz.de/schloss