portrait
: Das Mädchen mit kaiserlichen Chancen

Für Aiko dürfte 2006 ein Schicksalsjahr werden. Als erste Frau könnte die vierjährige Prinzessin das Recht erhalten, dereinst den japanischen Thron zu besteigen. Dem Kaiserhaus sind seit über 40 Jahren keine männlichen Kinder mehr geboren worden. Ein Expertengremium rät daher, mit der Tradition zu brechen und den Chrysanthementhron, unabhängig vom Geschlecht, dem ältesten Kind zu vererben. Diese revolutionären Vorschläge lösen in Japan hitzige Debatten aus, zumal das Parlament vielleicht bereits im März das Thronfolgegesetz ändern will.

Aiko ist das einzige Kind von Kronprinz Naruhito und seiner 42-jährigen Gemahlin, Prinzessin Masako. Der enorme Druck auf das Paar, einen Thronfolger zu zeugen, dürfte der Grund für Masakos Depression sein. Die frühere Karrierediplomatin lässt sich meist von öffentlichen Auftritten entbinden. Auf den wenigen Fotos, die das Hofamt freigibt, zeigt sich Masako bei vergnügten Spielen mit Tochter Aiko. Zu sehen ist, wie sie unter dem wachsamen Blick Masakos auf Bäume klettert, im Palastgarten Kartoffeln pflanzt und Mandarinen erntet. Begleitet von ihren Eltern fuhr sie an ihrem 4. Geburtstag im Dezember in den Kaiserpalast, wo sie, ganz protokollgemäß, die Glückwünsche ihrer Großeltern entgegennahm. Zu Aikos liebsten Beschäftigungen sollen die Papierfaltkunst Origami und das Harfenspiel gehören.

Bis zur möglichen Thronbesteigung verstreichen wohl noch einige Jahrzehnte – folgt auf den amtierenden Kaiser Akihito doch zunächst Aikos Vater. Radikal ändern wird sich das Prinzessinnenleben aber, sobald die Gesetzesänderung verabschiedet ist. Ein Tenno wird von klein auf vom kaiserlichen Hofamt unterwiesen.

Konservative halten den Bruch mit den Traditionen für inakzeptabel. Sie fürchten den Verlust des seit Jahrhunderten vererbten kaiserlichen Y-Chromosoms und eine Verunreinigung der Blutlinie, die bis zu Kaiser Jimmu zurückreichen soll, Sohn der mythischen Sonnengöttin Amaterasu. Probleme dürfte auch die Suche nach einem geeigneten Ehemann für einen weiblichen Tenno bereiten. Unterstützt werden die Gegner aus Hofkreisen. Japans ureigene Werte seien gefährdet, schrieb ein Cousin des Kaisers, wenn leichtfertig 2.665 Jahre alte Gepflogenheiten geopfert würden. Er schlug vor, wie früher üblich, mit Konkubinen einen Thronfolger zu zeugen.

Kein Verständnis dafür haben die JapanerInnen. Obwohl sie bei der Entscheidung um das Thronfolgegesetz nicht mitreden können, zeigen sich in Umfragen drei Viertel aufgeschlossen gegenüber einer Kaiserin Aiko. Bereits heute rangiert sie auf der Beliebtheitsskala des Kaiserhauses ganz oben. MARCO KAUFFMANN