Polizei lässt Nazis laufen

ANTIFA Tausende demonstrieren in Schöneweide gegen den Aufmarsch der NPD, doch die Polizei verhindert Blockaden. So laufen die Nazis ihre Route ab – weitgehend von der Öffentlichkeit abgeschottet

„Das ist mir noch nie passiert. Wir haben ein Recht zu blockieren“

CHRISTIAN STRÖBELE, GRÜNE

Am Ende steht Nico Schmolke neben dem großen roten Truck, auf dem immer noch eine Ska-Band spielt, und ist unschlüssig. Gerade ist die rechtsextreme NPD von ihrem Aufmarsch durch Schöneweide zum Bahnhof zurückgekehrt, unter den Pfiffen von Schmolke und Hunderten anderen.

Im letzten Jahr wurden kurz vor dem 1. Mai die Scheiben im Juso-Büro des 21-Jährigen engagierten Neonazigegners eingeworfen. „Der Protest heute“, sagt er, „das ist schon ein Erfolg. Aber leider kein voller.“ Denn die NPD marschierte eben doch – obwohl ein Großbündnis von autonom bis bürgerlich genau das mit Blockaden verhindern wollte.

Dabei beginnt der Tag für die Blockierer bestens. Schon am Mittwoch früh verkeilen vier Männer ihre Arme in einer Betonpyramide – mitten auf der Brückenstraße, auf der später die NPD marschieren will.

Von den Bahnhöfen Baumschulenweg und Karlshorst strömen wenig später Hunderte Blockierer nach Schöneweide. Am Mittag, als die ersten NPDler eintreffen, haben die Gegendemonstranten – die Polizei spricht von 2.000, die Blockierer von 5.000 – bereits alle Seitenstraßen um das Aufmarschgebiet blockiert. Nur: Auf die NPD-Strecke selbst kommen sie nicht.

Denn die Polizei ist mit 3.000 Beamten ähnlich stark vor Ort und haben alle Kreuzungen der nur zwei Kilometer langen Strecke mit Gittern abgesperrt. Davor stehen Wasserwerfer, zwischendrin verschaffen sich Polizeipräsident Klaus Kandt und Innensenator Frank Henkel (CDU) einen Überblick. „Wenn alles so friedlich bleibt“, zeigt sich Henkel gelassen, „gibt es am Ende des Tages nur Gewinner“.

Als die gut 400 Rechtsextremen losmarschieren, kommt der Aufzug fast ohne Stopp durch: vorbei an den rechten Szeneläden „Henker“ und „Hexogen“, über die Spree und zurück. „Deutsches Geld für deutsche Aufgaben“, bellt NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke ins Mikro. Von jeder Seitenstraße ertönen Pfiffe und „Nazis raus“-Rufe.

Den Aufmarsch aber stoppt das nicht. Mehrmals hält die Polizei Gegendemonstranten auch mit Pfefferspray auf Distanz, einmal spritzt ein Wasserwerfer. 17 Protestierer werden verhaftet, auch zwei Neonazis. Nach fünf Stunden ist die Betonpyramide von der Straße geschafft, die Beamten riegeln Spree-Brücken ab.

Selbst Grünen-Veteran Christian Ströbele wird nicht mehr durchgelassen. „Das ist mir noch nie passiert“, schimpft er. „Alles ist friedlich, wir haben ein Recht zu blockieren.“ Auch vom Truck der Nazigegner kommt Kritik. „Nur durch die Polizei konnten die Nazis marschieren“, grollt ein Redner.

Die Rechten treffen nach gut einer Stunde wieder am Bahnhof ein – nur 50 Meter von den Gegenprotestlern entfernt. Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus spricht von einem Erfolg. Die Leute hätten „alles gegeben“, sich den Nazis in den Weg zu stellen, die NPD sei unter Ausschluss der Öffentlichkeit marschiert.

Und so wird Henkels Wort Erfüllung: nur Gewinner. Die NPD freut sich, marschiert zu sein. Die Polizei freut sich, Zusammenstöße verhindert zu haben. Und die Blockierer loben, dass so viele Protestler kamen.

Auch Juso Nico Schmolke ist jetzt zufrieden. „Dass es bei so einer kurzen Strecke schwierig wird, war klar“, sagt er. Aber: „Die Nazis sind auf dem Rückzug. Wohlfühlen ist für sie nicht mehr.“ KONRAD LITSCHKO SEBASTIAN ERB

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