Giftige Asbestentsorgung am Strand

Frankreich will den Flugzeugträger „Clemenceau“ in Indien verschrotten, der Asbest und andere schädliche Chemikalien enthalten soll. Dabei ist es verboten, Gefahrenstoffe in Entwicklungsländern zu entsorgen. Inzwischen regt sich Widerstand

AUS BOMBAY REGINE HAFFSTEDT

Am Silvesterabend lief der ausgediente französische Flugzeugträger „Clemenceau“ in Toulon aus. Zwei Monate lang ist das Schiff unterwegs. Ziel: die indische Küstenstadt Alang in der Nähe von Bombay. Dort soll der Ozeanriese verschrottet werden. Doch inzwischen regt sich Widerstand, denn das Schiff gilt als asbestverseucht und soll auch andere giftige Chemikalien enthalten. Das Oberste Gericht Indiens hat ein Expertenkomitee eingesetzt, das seit gestern in Bombay berät, ob die „Clemenceau“ überhaupt in indische Gewässer einlaufen darf.

Auch Umweltschützer wollen dies verhindern. Am 12. Dezember hatten Greenpeace-Aktivisten aus Europa und Indien die schwer bewachte „Clemenceau“ vor Toulon geentert. Sie berufen sich auf die Basel-Konvention, die es untersagt, dass Industrieländer ihre Gefahrenstoffe in den Süden exportieren. Die französische Regierung bestreitet hingegen, dass „Kriegsmaterial“ unter die Basel-Konvention fällt. Ein französisches Gericht bestätigte diese Ansicht und untersagte Greenpeace, sich dem Schiff auf weniger als 300 Meter zu nähern.

Der größte „Schiffsfriedhof“ der Welt liegt in der Kleinstadt Alang im westindischen Staat Gujarat, wo der Strand seicht und der Tidenhub hoch genug ist, um große Schiffe an Land zu setzen. Ungelernte Arbeiter, meist Migranten aus den Hungerregionen des Landes, zerlegen die alten Pötte. Stahl und andere Materialien können dann weiterverkauft werden. Während der Schweißarbeiten explodieren häufig Brennstoffreste und Chemikalien. Arbeiter werden gelegentlich von herabfallenden Stahlteilen erschlagen oder schwer verletzt. Unverkäufliche Abfälle verbrennt man am Strand oder „entsorgt“ sie auf wilden Deponien.

Anders als in den meisten Industrieländern ist Asbest in Indien nicht verboten. 1995 untersagte die Regierung in New Delhi den Gebrauch von blauem Asbest, aber der angeblich weniger schädliche weiße Asbest wird in der Bauindustrie, im Automobilbau und bei Wasserleitungen weiterhin verwendet. Jährlich importiert Indien 150.000 Tonnen Asbest aus Kanada, Russland, Brasilien und Simbabwe. Die Symptome einer Lungenerkrankung durch Asbest treten oft erst 20 Jahre später auf. Es trifft vor allem die Armen. „Es erscheinen immer mehr Fälle“, konstatiert der Arzt T. K. Joshi, der das Zentrum für Berufskrankheiten in einem großen Krankenhaus in Neu Delhi leitet. „Es sind keinesfalls nur die Arbeiter, sondern auch immer mehr Schreiner, Klempner und Bauarbeiter, die Asbest weiterverarbeiten.“ Nur die wenigsten besitzen einen Versicherungsschutz.

Im April 2005 alarmierte eine andere Schiffsentsorgung die indische Öffentlichkeit. Die indische Regierung erlaubte die Verschrottung des Frachters „Riky“ in Alang – obwohl Dänemark gewarnt hatte, dass das Privatschiff asbestverseucht sei.