SO EIN TAG, SO WUNDERSCHÖN WIE HEUTE …

Der Mann auf dem Hamburger Schulterblatt hat fast Glatze. Mit seinem blau-weißen Schal könnte er auch Fußballfan sein. Schalke spielt heute doch gar nicht. „Wissen Sie, warum hier so viel Polizei unterwegs ist?“ Von den traditionellen Krawallen am Ersten Mai hat er noch nie etwas gehört.

Am Nachmittag zeigt sich Hamburg von seiner besten Seite. Die Sonne steht über der Hansestadt, und die Vorfreude auf den Abend ist groß. Auf dem Strandkai warten die Menschen entspannt auf den Beginn des Kirchentags. Ein Vater läuft mit seinem Baby durch die Stuhlreihen, die Lieder für den Gottesdienst werden noch mal geprobt, und dann geht es los. Ein tiefes Schiffshorn ertönt, und Tausende Blechbläser steigen nach kurzer Zeit ein. Im Hintergrund ertönt ein Martinshorn. Auf der Schanze, dem Szeneviertel Hamburgs, steht der Schwarze Block den Hundertschaften der Polizei gegenüber. Aber weiter passiert nichts.

Höhepunkt des Abends: Die Polizei geht bei einem Streit eines jungen Pärchens dazwischen, das sich in die Haare bekommen hat.

Ein paar der Protestler zünden hinter der Roten Flora, dem Wahrzeichen der Besetzerszene, ein Lagerfeuer an. Autos bleiben in diesem Jahre verschont.

Ähnlich gemütlich geht es in der Eckkneipe zu, in der sich die Menschen langsam zum Fußballspiel der Bayern gegen den FC Barcelona einfinden. Zehn Minuten vor Spielbeginn findet sich noch problemlos ein Tisch direkt vor dem Fernseher. Stimmung kommt nicht richtig auf. Spätestens nach dem 0:1 ist das Spiel gelaufen. Die Straßen sind noch voller Polizisten, die gelangweilt auf einen Einsatz warten. Plötzlich ist was los: Ein paar Leute haben es doch auf die Schienen geschafft. Bus und Bahn fallen aus. Der Kirchentagsbesucher nimmt das gelassen und wartet geduldig, bis es weitergeht.

Viel protestantisch, wenig Protest. Es scheint, als hätte die friedlich-fromme Kirchentagsstimmung die Hamburger Innenstadt erfasst.

DENIZ AYKANAT, FRIEDRICH GÖRING,
PAUL TAYLAN KILIC, CHRISTINA STEENKEN