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: HENK RAIJER über die Vertreibung von Baumfreunden in Geilenkirchen

Als verlorene Schlacht werten es die einen, als moralischen Sieg die meisten anderen. „Mit zwei- bis dreihundert Leuten hatten wir gerechnet“, sagte am Sonntag Abend Peter Polder, Sprecher der holländischen GroenFront!-Aktivisten, die bis gestern ein Waldstück am Rande der Awacs-Basis Geilenkirchen besetzt hielten, jedoch in den frühen Morgenstunden geräumt wurden. „Aber 1.500 Menschen – das ist überwältigend“, schwärmte der 30-Jährige mit der schwarzen Wollmütze, die er in den letzten fünf Wochen nur selten abgenommen hat. „Willkommen in eurem Wald“, begrüßte Polder die Einwohner der lärm- und kerosingeplagten Orte Brunssum und Schinveld im Süden Hollands mit großem Pathos. „Und bitte bleibt, damit die Polizei es schwer hat, uns zu vertreiben.“

Genutzt hat es nichts. Aber zweifellos hat der sonntägliche „Waldspaziergang“ von mehr als eintausend Nichtbesetzern, die die geplante Rodung von 46 Hektar Wald in ihrer Nähe nicht hinnehmen wollten, die Entscheidung der Polizei mit beeinflusst, bei der Räumung des Hüttendorfes am westlichen Ende der Awacs-Startbahn mit Rücksicht vorzugehen. Sie wusste um den Hass der Leute auf ihren Bürgermeister, der unter Missachtung sämtlicher demokratischen Gepflogenheiten die Einwohner seiner Stadt im Vorfeld der Räumung daran hindern wollte, sich mit den Waldbesetzern zu solidarisieren und sich gegen Nato und Verteidigungsministerium zu stellen, die für ihre Awacs-Maschinen freie Sicht begehren.

Und so war gestern Morgen die Atmosphäre im Wald nahe Geilenkirchen bar jener Grimmigkeit, wie man sie von Auseinandersetzungen zwischen Polizei und ungehorsamen Bürgern hierzulande gewohnt ist. „‘Nen schönen Feierabend“ wünschte da ein 70-jähriger Mann im melodischen Dialekt der Region den Uniformierten, die seit Stunden einen Kordon bildeten und ihrer Ablösung entgegen zitterten. Nur ab und an öffneten sie die Festung, um mit gelben Leibchen bekleidete „Verbindungsoffiziere“ der Aktivisten in das vorher geräumte Basislager zu lassen. Ungestört betraten auch Stunden nach Beginn der Polizeiaktion weiterhin Unterstützer das „umkämpfte“ Terrain. „Das hab ich bei Widerstandsaktionen bei uns noch nicht erlebt“, sagte dazu Heinz aus Heidelberg. Der 37-Jährige war mit einem guten Dutzend Mitstreiter vom Jugendumweltkongress in Bielefeld angereist. „So etwas hätte die deutsche Polizei bei einem vergleichbaren Einsatz nie zugelassen.“

Gelassenheit war Trumpf in dieser frostigen Nacht. Nur ein paar Jugendliche, die – natürlich nur um sich aufzuwärmen – einen zu viel auf das Wohl ihres Waldes gekippt hatten, suchten Abwechslung. Und machten die Probe bei den Insassen dreier Polizeiautos mit Aachener Kennzeichen. Aber die munteren Jungmänner wurden alsbald beruhigt und abtransportiert. Die deutsche Polizei beteiligte sich im Übrigen als Lichtspender, weil die Feuerwehren von Schinveld und Brunssum sich geweigert hatten, die niederländische Polizei bei ihrem Werk zu unterstützen. Alles etwas anders eben.

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