Streit um Papierfabriken in Uruguay

Uruguay will zu einem Groß-Exporteur von Zellulose aufsteigen. Nachbar Argentinien fürchtet um seine Umwelt und droht mit Wirtschaftsboykott. Die Weltbank sieht kein Problem für Kredite. Deutschland kauft sein Papier vor allem in Skandinavien

In der Papierindustrie entstehen nur wenige, aber qualifizierte Arbeitsplätze

von GERHARD DILGER
und HEIKE SCHMIDT

Eigentlich verstehen sich Argentinien und Uruguay: Beide Länder werden von Linksregierungen geführt. Doch jetzt droht Argentinien sogar mit einem Wirtschaftsboykott. Grund: Uruguays Präsident Tabaré Vázquez besteht darauf, zwei Zellstofffabriken in Fray Bentos zu errichten – direkt an der Grenze zu Argentinien und mitten in einem beliebten Tourismusgebiet.

Die geplanten Zellstofffabriken sollen 2007 die Arbeit aufnehmen und wären ein Komplex der Superlative: Die Investitionen in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar entsprechen 13,6 Prozent des uruguayischen Bruttoinlandsprodukts. Mit 1,5 Millionen Tonnen Zellulose würde jährlich doppelt so viel produziert wie in den zehn veralteten Fabriken Argentiniens. Ein Investor ist der spanische Multi Ence, der weltweit zweitgrößte Lieferant von Eukalyptus-Zellstoff. Die zweite Fabrik errichtet Botnia aus Finnland. 2010 will dann auch noch der schwedisch-finnische Konzern Stora Enso mit einer weiteren Großfabrik nachziehen. Die Firma ist bereits in Brasilien, Chile und Argentinien aktiv.

Der Rohstoff für die geplanten Zellstofffabriken stammt aus den rapide expandierenden Eukalyptusplantagen Uruguays, die UmweltschützerInnen als „grüne Wüsten“ bezeichnen: In den wasserfressenden Monokulturen ist kein Platz für andere Flora oder Fauna.

In der argentinischen Tageszeitung Página 12 schilderte der Bürgermeister der nordwestspanischen Provinzhauptstadt Pontevedra drastisch die Umweltfolgen der dortigen Ence-Zellstofffabrik, die 1960 errichtet wurde: Gestank, saurer Regen, Atemkrankheiten, Erwärmung des Wassers, nur wenige Arbeitsplätze und eine zerstörte Landschaft.

Die Weltbank-Tochter „International Finance Corporation“ (IFC) ist sich hingegen in einer Expertise sicher, dass keine Umweltschäden zu befürchten sind: Ence und Botnia können mit günstigen Krediten in Höhe von 400 Millionen Dollar rechnen.

Julio César Villalonga von Greenpeace plädiert für eine „saubere Produktion“ ohne jeden Einsatz von Chlor, auch wenn die teurer sei: „Mit den Fabriken müssen wir 40 Jahre leben.“ Die Regierungen dürften sich nicht von der Papierindustrie gegeneinander ausspielen lassen. Argentiniens Staatschef Néstor Kirchner wäre es am liebsten, die Fabriken würden 50 Kilometer weiter südlich gebaut, wo kaum Menschen leben. Dann könnte Vázquez sein Gesicht wahren und die Proteste würden nachlassen, so das Kalkül.

Die geplanten Fabrikneubauten in Uruguay passen in einen globalen Trend: „Die Produktionsmenge wächst weltweit“, stellt der Verband Deutscher Papierfabriken fest. Allerdings entstehen die neuen Fabriken nicht nur in den Entwicklungs- und Schwellenländern. So wurde gerade ein modernes Zellstoffwerk in Stendal in Sachsen-Anhalt errichtet. Denn die Löhne spielen in der Kalkulation kaum eine Rolle: „Die Papierindustrie ist eine kapitalintensive Branche. Es werden nur wenige, aber qualifizierte Arbeitskräfte gebraucht.“

Die deutsche Papierindustrie rechnet damit, dass die neuen Fabriken in Uruguay vor allem andere Schwellenländer beliefern. Denn der Eukalyptuszellstoff ist ein so genannter „Kurzfaserzellstoff“. Beim Zeitungsdruck wird jedoch Papier mit einem hohen Langfaseranteil benötigt, das meist aus Schweden oder Finnland stammt.

Auch beim Kurzfaserzellstoff gibt es europäische Konkurrenz: Spanien und Portugal haben ebenfalls Eukalyptus-Plantagen. Deutschland importiert lediglich 500.000 Tonnen Kurzfaserzellstoff aus Brasilien und 163.000 Tonnen aus Chile. Wenn Uruguay diese Konkurrenz schlagen will, dann darf es nicht nur auf Preis und Qualität achten. Der Verband Deutscher Papierfabriken rät aus eigener Erfahrung: „Wichtig ist auch, dass sich die Zellstoffproduzenten an die Richtlinien der nachhaltigen Forstwirtschaft halten. Die Kunden sind da sehr sensibel.“