Der größte Fan

Sein sonstiger Zuständigkeitsbereich klingt dröge: Vertrieb, Organisation, Stadion und Personal – wie gut, dass sich Thomas Röttgermann noch um den Frauenfußball beim VfL Wolfsburg kümmern darf. Als einer von drei Geschäftsführern der VfL Wolfsburg Fußball GmbH verantwortet er eine der derzeit erfolgreichsten deutschen Mannschaften: Finale der Champions League erreicht, ins Pokalfinale gestürmt, die erste deutsche Meisterschaft so gut wie gesichert: Die Wolfsburger Fußballfrauen sind ein Erfolgsmodell, das Röttgermann stolz macht und berührt.

„Ich bin Fan geworden“, sagt der 53-Jährige, wenn er von „seinem“ Team berichtet. Das verlor zwar am gestrigen Sonntag mit 0:2 gegen Potsdam, kann den Meistertitel aber nur noch theoretisch verlieren – zu groß ist die Tordifferenz, als dass die VfL-Frauen nach dem letzten Saisonspiel am kommenden Sonntag gegen Neuenahr noch auf den zweiten Tabellenplatz abrutschen könnten.

Der Aufschwung des Frauenfußballs in Wolfsburg ist gute Arbeit, aber auch den traumhaften Rahmenbedingungen zu verdanken, für die der VW-Konzern sorgt. Rechts von der Landesstraße 322, wo das VW-Werk inklusive der Chefetagen steht, ist vor zehn Jahren die Entscheidung getroffen worden, auch den Frauenfußball stark zu fördern. Seitdem wird links von der L322, wo der VfL Wolfsburg zu Hause ist, eine Mischung aus Standortmarketing, Leistungssport und Imagepflege betrieben.

„Mit dem Frauenfußball erreichen wir ein ganz anderes Publikum als mit den Männern in der Bundesliga“, sagt Röttgermann, der früher im Auftrag von Sportfive mit Sportrechten jongliert hat. Heute arbeitet er daran, dass sich der VfL Wolfsburg nicht nur als Fußballfirma, sondern auch als Marke weiterentwickelt.

Von viel Zeit und wenig Druck ist die Rede, wenn Röttgermann erzählt, warum ihm die Fußballfrauen so viel Spaß machen. Er hat das frostige Betriebsklima unter der Regie seines früheren Geschäftsführungs-Kollegen Felix Magath miterlebt und kennt die Tücken des millionenschweren Männerfußballs. Die Spielerinnen des VfL dagegen sind erfolgreiche Sportlerinnen und mangels sechsstelliger Gehälter nebenbei auch Arbeitnehmerinnen der Region.

Als Chef ist Röttgermann dafür zuständig, ihnen eine sportliche und berufliche Perspektive zugleich zu geben. Seine Auftritte im feinen Anzug legen den Verdacht nahe, als sei er einfach nur ein weiterer Schlipsträger mit ehrgeizigen Projekten und Zielen. Aber sein Jubel, wenn Röttgermann an der Außenlinie mit den Spielerinnen hautnah mitfiebert, sieht verdammt echt aus.  CHRISTIAN OTTO