Scheiß Tribüne!

Stiftung Warentest bemängelt Schalke-Arena: Aus Angst vor „Flitzern“ wird eine Flucht aufs Spielfeld verhindert

Seit Sommer 2001 ragt eine weiße Riesenpille aus dem Emscherland heraus. Zur Eröffnung des 192-Millionen-Bauwerks erklärte Weltfußballchef Sepp Blatter den FC-Schalke-Sportplatz zum „Pilotprojekt für die ganze Welt“. Ex-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) sah ein „Symbol für die Erneuerung“, das den „Ruf der Region in die Welt tragen“ werde. Und Franz Beckenbauer, Fußballweltmeister als Spieler, Trainer und wohl bald auch als Funktionär, war ein „bisserl neidisch“. Im Sommer sollen in dem Stadion mit Schiebedach und Rollrasen fünf WM-Spiel stattfinden.

Doch 148 Tage bevor Polen auf Ecuador trifft, mischt sich eine andere deutsche Legende ein: Die Stiftung Warentest hat alle zwölf WM-Stadion getestet, vier wurden „erhebliche“ Mängel bescheinigt: So sei den Zuschauern in Gelsenkirchen die Flucht aufs Spielfeld verstellt, auch für Logengäste gebe es zu wenig Ausgänge, ergaben ihre Versuche.

Generell beklagten die Warentester, dass aus den Katastrophen der Achtziger Jahre – dem Brand in Sheffield und der Massenpanik im Brüsseler Heysel Stadion – wenig gelernt wurde. Die Tribünen seien zu steil, die Abwehr so genannter „Flitzer“, aufs Feld stürmende Exhibitionisten, habe den Fluchtweg in den Innenraum verbaut .

Im Mittelfeld des Tests rangiert das Dortmunder Westfalenstadion aufgrund komplizierter Fluchtwege – mit 60.000 Zuschauern zweitgrößtes WM-Spielstätte. Das erst 2004 eröffnete Rhein-Energie-Stadion in Köln kann sich immerhin an nur „geringen Mängeln“ erfreuen. Schalker und Dortmunder Verantwortliche hüllen sich noch in Schweigen, der Geschäftsführer der Kölner Sportstätten, Hans Rütten wehrt sich gegen den Stadiontest: So seien Notfallpläne nicht bewertet worden.

Patzig gibt sich Beckenbauer. Auf Sponsorenreise in Südafrika legt sich der WM-Organisationschef mit der Stiftung Warentest an: Die kenne sich mit „Gesichtscreme, Olivenöl und Staubsaugern“ aus, aber nicht mit Sportstätten. Versöhnlicher versucht es Stiftungs-Chefredakteur Hubertus Primus: Die WM könne stattfinden, man müsse eben in den Stadien „nachbessern.“

Am besten schnell: Für die WM-Spiele sind auf Schalke bloß 44.000 Zuschauer zugelassen und damit 17.000 weniger als bei einem stinknormalen Bundesligaspiel. Doch zu den Gefahren im Ligaalltag hält sich die Warenstiftung bedeckt. CHRISTOPH SCHURIAN

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