Weiter Rätsel um den Erdrutsch

BERGBAU Ein neues Gutachten kann die Ursache für den tödlichen Erdrutsch von Nachterstedt in Sachsen-Anhalt immer noch nicht klären. Sorge um den Tourismus

Die Suche nach den Verschütteten soll wieder aufgenommen werden

VON MICHAEL BARTSCH

Mehr als ein halbes Jahr nach dem gewaltigen Erdrutsch von Nachterstedt am Concordiasee in Sachsen-Anhalt ist die Ursache noch immer nicht geklärt. Auch ein am Montag vorgestelltes Gutachten, das vom Landesamt für Geologie und Bergwesen in Auftrag gegeben wurde, konnte lediglich 10 von 14 spekulativen Auslösefaktoren ausschließen. Mit konkreten Ergebnissen sei erst Ende des kommenden Jahres zu rechnen, sagte Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU). Ihm war Unmut darüber anzumerken, dass die zuständige bundeseigene Bergbausanierungsgesellschaft nicht eher zu Ergebnissen kommt.

Am 18. Juli 2009 war eine bis zu 100 Meter hohe Böschung am Rande des ehemaligen Tagebaus in den neu entstandenen See gerutscht. Sie riss mehrere Häuser in die Tiefe. Drei Menschen wurden verschüttet und konnten bis heute nicht gefunden werden. Die überlebenden Bewohner durften nicht mehr in ihre Siedlung zurückkehren. Sie sind, wie Minister Haseloff sagte, „ausreichend entschädigt worden“ und haben anderswo Unterkunft gefunden.

Ein derart komplexes Schadensereignis habe es bislang noch nicht gegeben, sagte Gutachter Michael Clostermann aus Dortmund. In der Region wird bereits seit mehr als 150 Jahren Bergbau betrieben. Vorerst sind Daten und Unterlagen aus den Jahren 1849 bis 2009 ausgewertet worden. Mit ihnen konnten einige zunächst angenommene Unglücksursachen ausgeschlossen werden. So hatte beispielsweise Mahmut Kuymcu, Chef der Lausitzer- und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft LMBV, Ende September noch von einem auslösenden „Mini-Erdbeben“ gesprochen. Dabei habe es sich aber höchstwahrscheinlich um den Erdrutsch selbst gehandelt, korrigierte Clostermann.

Modellrechnungen anhand der vorliegenden Daten haben eigentlich auch eine Standsicherheit der Böschung ergeben. Deshalb führen jetzt nur noch Untersuchungen vor Ort weiter. Es geht um ältere Hohlräume, die hydrologische Situation und Materialproben am Böschungskörper. „Eine Besonderheit des Tagebaurestlochs Nachterstedt besteht darin, dass sich die in den Kippen und Halden eingebauten Böden bei Einwirkung eines hinreichend starken Auslösers verflüssigen können“, heißt es beispielsweise im Clostermann-Gutachten. Zur Ursachenforschung sind weitere Tiefenbohrungen und Feldversuche notwendig, wobei allerdings die Sicherheit der Prüfer garantiert werden muss. Auch die Suche nach den Verschütteten soll wieder aufgenommen werden.

Dem Wirtschaftsminister bereitet die wirtschaftliche Situation rund um den See Sorgen. Man halte langfristig am Ziel fest, den Concordiasee touristisch zu nutzen, sagte Haseloff. Durch die Katastrophe aber ist das Gast- und Tourismusgewerbe an dem gesperrten See schwer beeinträchtigt. Man verhandele deshalb mit dem Bund und der LMBV über einen Überbrückungsfonds.