„Halbe Lämmer im Koffer“

Vogelgrippe I: Reisende aus der Türkei werden verstärkt gefilzt, ob sie illegal Lebensmittel einführen. Der Zoll hat auch schon kiloweise Schafskäse gefunden. Heute treffen sich die deutschen Verbraucherminister, um weitere Maßnahmen zu beraten

VON HEIKE SCHMIDT

Wer heute mit dem Reisebus oder Flugzeug aus der Türkei in Deutschland ankommt, muss damit rechnen, dass sich seine Ankunft verzögert: Kontrolleure steigen ein, um nach Lebensmitteln im Gepäck zu suchen. Denn die Türkei gilt als Risikoland, seitdem dort die Vogelgrippe grassiert (siehe Text unten). Sollte das Virus jetzt nach Deutschland eingeschleppt werden – dann durch Touristenproviant. Denn der Vogelzug wird erst Ende Februar starten. Gefahr geht nicht nur von Geflügelfleisch aus – sondern von allen Lebensmitteln, die zufällig mit infizierten Vögeln in Kontakt gekommen sein könnten. Denn das Virus kann bis zu 35 Tagen überleben – in Kot oder Federn.

Hessen und Niedersachsen kontrollieren Reisende seit Montag; Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein folgten gestern. Und es gibt viel zu kontrollieren, wie das Statistische Bundesamt ermittelte: Von Januar bis Oktober 2005 reisten 4.637.516 Menschen aus der Türkei nach Deutschland ein.

Auch bisher gab es schon Kontrollen – vor allem am Frankfurter Flughafen wird seit Oktober 2005 gefilzt. Allerdings traf es die Reisenden aus Südostasien, wo die Vogelgrippe bisher 70 Tote gefordert hat. 60.000 Passagiere wurden überprüft; dabei konnte der Zoll 13 Tonnen illegale Lebensmittel sicherstellen.

Doch sind die Kontrollen keineswegs flächendeckend; das Personal reicht nur für Stichproben. Am Frankfurter Flughafen werden nun „bis zu 10 Maschinen“ aus der Türkei täglich „voll gecheckt“, wie Andreas Urbaniak vom Hauptzollamt erläutert. Jeder Passagier wird komplett gefilzt. Allerdings wissen die Zöllner nicht, wie viele Flüge aus der Türkei täglich landen – „es sind sehr viele“. Lebensmittel wurden seit Montag bereits sichergestellt: „Den Löwenanteil machen Milchprodukte wie Schafskäse aus“, sagt Urbaniak. „Wir hatten aber auch schon halbe Lämmer im Koffer.“ Geflügel fiel kaum auf. „Die Leute nehmen nur Spezialitäten aus der Türkei mit, die sie hier nicht bekommen.“

Niedersachsen hat sich für eine andere Kontrollstrategie entschieden. Dort werden alle Flugzeuge aus der Türkei oberflächlich kontrolliert: „Wer aus der Türkei kommt, muss seine Taschen öffnen“, sagt Gert Hahne vom Verbraucherschutzministerium. Zudem setzt Niedersachsen auf vermehrten Polizeieinsatz bei normalen Straßenkontrollen. „Der Beamte soll eine Person im Verdachtsfall so lange festhalten, bis ein Veterinär da ist. Der kann dann prüfen, ob das halbe Hähnchen im Handschuhfach gefährlich ist oder nicht.“

Neben den Flugzeugen werden nun die Reisebusse überprüft, die meist nicht von Touristen genutzt werden. Es seien „sehr viele ethnische Verkehre“ von türkisch-deutschen Familien, erläutert der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer. Dort hält man Kontrollen für sinnvoll – allerdings nicht unbedingt in Deutschland. „Die Busse sollten überprüft werden, bevor sie die Türkei verlassen.“ Allein am Montag stellten Polizei und Zoll am Frankfurter Hauptbahnhof 200 Kilo illegale Lebensmittel in Bussen sicher.

CSU-Bundesverbraucherminister Horst Seehofer trifft sich heute mit seinen Länderkollegen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) formulierte gestern den Auftrag: Es seien „alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen“, um die Vogelgrippe „nicht aufkommen zu lassen“. Niedersachsens Verbraucherschutzministerium hat Vorschläge: „Wir werden anbieten, Veterinäre und Seuchenexperten in die Türkei zu schicken.“ Das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit unterstützt dies: „Die Kontrollen der deutschen Länder sind sehr gut, aber es muss etwas in der Türkei getan werden.“