Mit Sonnenblumen gegen das Aids-Virus

Ein Pflanzensubstanz könnte das Arzneimittel-Arsenal um eine völlig neue Waffe ergänzen: Dicaffeoyl-Chinasäure, kurz DCQA, könnte die Vermehrung des HI-Virus verhindern – ist aber noch sehr teuer. Jetzt laufen erste klinische Tests und Versuche zur industriellen Produktion

Sonnenblumen können eine Substanz produzieren, die den AIDS-Erreger HIV an seiner Vermehrung hindert. Das haben Wissenschaftler der Uni Bonn und des Bonner Forschungszentrums caesar bei Tests mit Zellkulturen herausgefunden.

Das so genannte „DCQA“ gilt schon seit einigen Jahren als Hoffnungsträger einer völlig neuen Gruppe von AIDS-Medikamenten. Der Wirkstoff ist aber nur in sehr geringen Mengen verfügbar und daher extrem teuer. Mit dem Bonner Verfahren ließe er sich wahrscheinlich zu einem Bruchteil der Kosten produzieren. Die Wissenschaftler haben ihre Methode inzwischen zum Patent angemeldet. Gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich wollen sie versuchen, die Substanz in großem Maßstab herzustellen. Dazu suchen sie nach Industriepartnern.

Alles begann mit einem kleinen Pilz mit dem zungenbrecherischen Namen sclerotinia sclerotiorum. Der Erreger kann bei schlechter Witterung schon mal einen kompletten Sonnenblumenbestand hinwegraffen. Manche Sonnenblumen überstehen die Pilzattacke jedoch mehr oder weniger unbeschadet. Dazu produzieren sie Abwehrstoffe, die dem Krankheitserreger schnell den Garaus machen. Claudio Cerboncini wollte wissen, über welche chemischen Waffen die resistenten Sonnenblumen verfügen. In seiner Doktorarbeit bei Heide Schnabl vom Bonner Zentrum für Molekulare Biotechnologie (CEMBIO) hat der Agrar-Ingenieur dazu verschiedene Sorten mit ihrem Erzfeind infiziert.

So konnte er die Abwehrstoffe isolieren, die die Pflanzen als Reaktion produzierten. Darunter war auch die so genannte Dicaffeoyl-Chinasäure, kurz DCQA. „DCQA kann zumindest in Zellkulturen die Vermehrung des HI-Virus verhindern“, erklärt Cerboncini, der inzwischen am Forschungszentrum caesar tätig ist. „Sie ist eine der wenigen heute bekannten Substanzen, die das Enzym, welches der Erreger zur Vermehrung unbedingt benötigt, angreift.“

Im Gegensatz zu anderen Wirkstoffen rechnen Mediziner hierbei nur mit wenig Nebenwirkungen. In der Pharma-Branche gelten sie daher als Hoffnungsträger einer völlig neuen Klasse von AIDS-Medikamenten. Erste klinische Tests scheinen das Potenzial von DCQA zu bestätigen. „Wir brauchen diese Substanzen, um das Arsenal an wirksamen Waffen gegen die Erkrankung zu vergrößern“, sagt auch Esther Voigt vom Universitätsklinikum Bonn. „Ob sie in der klinischen Praxis halten, was sie versprechen, bleibt aber abzuwarten.“

DCQA kommt beispielsweise in der Artischocke und in der Wegwarte vor, allerdings in äußerst geringen Dosen. Der Marktpreis liegt daher momentan bei rund 1.000 Euro pro Milligramm. „Wir wollen versuchen, Sonnenblumen- oder auch andere pflanzliche Zellen zusammen mit sclerotinia sclerotiorum in einer Nährlösung zu kultivieren und dann aus der Flüssigkeit den Wirkstoff zu gewinnen“, so CEMBIO-Forscher Ralf Theisen. „Wenn das funktioniert, könnten wir DCQA zu erheblich niedrigeren Kosten herstellen.“

Mit diesem Wissen würde eine Massenproduktion von DCQA in greifbare Nähe rücken. Schon heute können Chemiker die Substanz zwar nachbauen, aber nur unter enormem Aufwand. Ist erst mal das für die Produktion zuständige Pflanzen-Gen identifiziert, kann man es in Bakterien einschleusen, die dann das heilende Enzym in großen Mengen herstellen. HOLGER ELFES