Es gibt mehr Fragen als Antworten

Exbürgermeister verurteilt

Die Polizei ermittelte nur in eine Richtung

Es bleibt am Ende unbefriedigend: Freunde des Angeklagten Heinrich Scholl sowie des Nebenklägers Mathias Scholl aus Ludwigsfelde folgten dem Mordprozess, der am Dienstag mit dem Urteil „lebenslänglich“ endete, von Oktober bis jetzt. Brigitte Scholl war ermordet worden, ihr Ehemann geriet in Verdacht, und die vielen Indizien überzeugten nicht nur den Staatsanwalt, den gemeinsamen Sohn, die Presse, sondern auch das Gericht davon, dass Heinrich Scholl ihr Mörder ist. Aber wo ist sein Motiv? Was kann einen ehrenwerten SPD-Genossen und Bürgermeister einer prosperierenden Gemeinde dazu bringen, den Mord an seiner Frau zu planen und durchzuführen?

Das Geld soll es gewesen sein. Aber es leuchtet nicht ein. Wegen einer Doppelhaushälfte und dem Unterhalt, den er dadurch sparte, soll ein juristisch gebildeter Politiker und Unternehmensberater ein Verbrechen planen, dessen Aufklärungsrate in Deutschland bei fast 100 Prozent liegt? Seine thailändische Geliebte soll ebenfalls Grund für die Gewalttat sein, aber die Beziehung war nach ihrer Aussage beendet.

Der Richter fegte alle entlastenden Aussagen und Indizien vom Tisch. Die Polizei ermittelte nur in eine Richtung, angeblich gab es keine anderen Spuren. Aber sie hat zum Beispiel nicht nach dem verdächtigen asiatischen Jogger gesucht, den eine Zeugin mehrfach am Tatort und in der Stadt gesehen hat. Auch wurde nicht ermittelt in Bezug auf Korruption in Ludwigsfelde, von der in der Stadt hinter vorgehaltener Hand erzählt wird. Sicher wirken diese Szenarien an den Haaren herbeigezogen, aber ist ein Mörder Scholl plausibler?

Die Ehe der Scholls war zerrüttet, aber kurz vor dem Verbrechen zog Scholl zurück ins gemeinsame Haus, und viele Zeugen berichten von wieder zurückgekehrter Zärtlichkeit bei dem Paar, das seinen 48. Hochzeitstag genau am Tag vor dem Verbrechen beging. Es gibt mehr Fragen als Antworten.

Juristisch ist Heinrich Scholl jetzt so schuldig, wie er für viele schon durch seine Untersuchungshaft von über einem Jahr war. Doch ob ihm Gerechtigkeit widerfahren ist, ist nicht so sicher, wie es nun den Anschein hat. FALKO HENNIG