Qualitativ hohe Sicherheit

Der Wintersportort Kaprun hat fünf Jahre nach der Brandkatastrophe in der Gletscherbahn stark in die Sicherheit investiert und die Katastrophe zum Ausbau und zur Modernisierung der Region genutzt

Wir wollen die beste und sicherste Beförderungsmöglichkeit für unsere Gäste

Von KARSTEN-THILO RAAB

Der 11. November 2000 ging fraglos als der schwärzeste Tag in die Geschichte des beliebten österreichischen Wintersportzentrums Kaprun ein. Ein Tag, an dem bei einer verheerenden Brandkatastrophe der Gletscherbahn 155 Menschen – darunter 37 Deutsche – ihr Leben lassen mussten. Ein Tag, der das Leben in der 3.000-Seelen-Gemeinde am Fuße der Hohen Tauern für immer verändern sollte. Ein defekter Heizlüfter im Führerstand setzte an jenem 11. November während einer Bergfahrt Hydrauliköl und damit auch die Waggons der unterirdischen Standseilbahn in Brand.

Die für gewöhnlich rund achteinhalb Minuten lange Fahrt von der Talstation zum Alpincenter auf 2.450 Meter Höhe wurde für die Wintersportler aus Österreich, Deutschland, den USA und Japan zur tödlichen Falle, als die Einfahrt in den rund 3,3 Kilometer langen Tunnel erfolgte. Die gewaltige Rauchgasentwicklung ließ die verzweifelten Passagiere nicht nur die Orientierung verlieren, sondern kostete 155 Menschen in Verbindung mit dem Flammenmeer das Leben. Neben der Trauer, dem Leid und der Wut über die menschliche Tragödie drohte das schwerste Unglück in der Geschichte zu einem wirtschaftlichen Trauma für die gesamte Region zu werden.

„Wir wollten nicht nur reagieren, sondern agieren“, so Hans Wallner, der Geschäftsführer der Europa-Sportregion Zell am See – Kaprun, mit Blick auf die Tatsache, dass der Tourismus und speziell der Wintersport nach wie vor die wichtigste Einnahmequelle der ansonsten strukturschwachen Region bilden. „Für uns alle hier war es eine existenzielle Frage“, ergänzt Wallner, auch wenn in der Wintersaison 2000/2001 der Besuchereinbruch nicht so drastisch ausfiel wie befürchtet. Statt sonst durchschnittlich 480.000 belegter Betten verzeichnete Kaprun einen Rückgang um rund 40.000 Übernachtungen. Die Buchungen gingen um 18 Prozent zurück; wohl auch weil der Skibetrieb bis zum 7. Dezember 2000 komplett eingestellt war.

Ungeachtet des enormen Imageschadens verstand Kaprun die Katastrophe aber auch als Chance für einen Neuanfang. Eine neue Verbindung zum Kitzsteinhorn, auf dem Skifahrer 50 Wochen im Jahr nach Herzenslust wedeln können, musste geschaffen werden. Es wurde beschlossen, dass die 1974 in Betrieb genommene Unglücksbahn nie wieder für den Personentransport freigegeben und künftig allenfalls zum Lastentransport genutzt werden darf. „Schon aus psychologischen Gründen schied beim Neubau eine unterirdische Lösung aus“, gibt Wallner Einblick in die damaligen Überlegungen. Für ein Investitionsvolumen von 40 Millionen Euro wurden neben einer neuen Talstation zwei neue Gletscherbahnen installiert, die im Dezember 2001 beziehungsweise Oktober 2002 in Betrieb genommen wurde. „Für uns stand damals fest, wir wollen die beste und sicherste Beförderungsmöglichkeit für unsere Gäste. Denn uns war klar, nur so können wir das Vertrauen der Wintersportler zurückgewinnen“, bezeichnet Hans Wallner die „Gletscherjets“ als den Rolls-Royce unter den Hochgebirgsbahnen.

Tatsächlich wurde mit Blick auf die Sicherheitsstandards nicht gekleckert, sondern geklotzt. Denn Kaprun darf sich heute rühmen, dass am Kitzsteinhorn die erste ISO-zertifizierte Seilbahn Österreichs verkehrt, auch wenn das den Hinterbliebenen der Katastrophe wenig Trost sein dürfte. Das weltweit anerkannte ISO-Zertifikat steht für laufende Kontrolle und Bestätigung der hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Doch damit sind die ehrgeizigen Pläne noch lange nicht beendet. Neben weiteren 25 Millionen Euro, die in die Verbesserung der Infrastruktur des Ortes und der dazugehörigen Skigebiete rund um den Maiskogel flossen, reifen Überlegungen, eine Talabfahrt vom Schmiedinger und Maurerkees, den beiden Gletschern am Kitzsteinhorn, anzulegen. Die Finanzierung und Bewilligung dieses Vorhabens ist aufgrund umweltrechtlicher Auflagen äußerst schwierig und langwierig. Deswegen geht Wallner davon aus, dass ein Baubeginn frühestens in fünf bis sieben Jahren möglich sei.

Unabhängig davon hat sich das Wintersportzentrum, zumindest was die Zahl der Wintersportgäste angeht, von dem Trauma des 11. November 2000 erholt. Gleichwohl wird die Katastrophe nie in Vergessenheit geraten. Dazu trägt auch die in unmittelbarer Nähe zur Talstation am Kitzsteinhorn errichtete Gedenkstätte für die Opfer bei. Am 12. November 2004, dem 4. Jahrestag der Brandkatastrophe, wurde das 356.000 Euro teure, begehbare Monument eingeweiht. 300 Angehörige aus Österreich, Deutschland, den USA und Japan nahmen an der Gedenkfeier teil. Die Gedenkstätte wurde als heller Bau in schlichtem Sichtbeton errichtet. Im Andachtsraum schaffen farbige Glaslamellen mit dem jeweiligen Namen kleine Nischen zur Erinnerung an die Opfer der Katastrophe. Die Farben entsprechen dem Ton, der im chinesischen Horoskop dem Geburtsdatum des Toten zugeordnet ist. Auf dem Vorplatz wurde auf Wunsch von Angehörigen japanischer Opfer ein Kirschbaum als Symbol des Lebens gepflanzt.

Auch das juristische Nachspiel der Katastrophe ist (weitgehend) abgeschlossen. Im Februar 2004 waren alle 16 Angeklagten nach einem fast zwei Jahre dauernden Prozess in Salzburg freigesprochen worden. Begründung: Keinem der Beschuldigten treffe eine unmittelbare Schuld. Die Angehörigen und Überlebenden legten Berufung ein, sodass sich der Technische Direktor der Gletscherbahnen Kaprun, der verantwortliche Betriebsleiter der Bahn, zwei Mitarbeiter einer Waggonbaufirma, zwei TÜV-Mitarbeiter und zwei Sachverständige des österreichischen Verkehrsministeriums in Linz erneut vor Gericht verantworten müssen.

Parallel dazu wies ein Berufsgericht in den USA am 21. Dezember 2004 eine Sammelklage von vielen der Hinterbliebenen der Opfer ab. Diese hatten sich auf Anraten des amerikanischen Staranwalts Ed Fagan zusammengeschlossen, um durch die Prozesse in den Vereinigten Staaten nicht unerhebliche Geldbeträge zu erstreiten. Fagan hatte in der Sache in den USA einige Verfahren gegen Firmen – unter ihnen die europäischen Unternehmen Siemens, Bosch Rexroth, Waagner-Biro sowie Beton- und Monierbau – eingeleitet.

Europasportregion Zell am See – Kaprun, Salzburger Platz 601, A-5710 Kaprun, Tel. (00 43-65 47) 80 80, www.europasportregion.infoGletscherbahn Kaprun AG, Postfach 3000, A-5710 Kaprun, Tel. (00 43-65 47) 87 00, www.kitzsteinhorn.atBetriebszeiten: Die Gletscherbahnen laufen ganzjährig täglich von 8 Uhr bis 16.30 Uhr