Iran zeigt die Zähne – der Rest der Welt kuscht

Die Proteste gegen das Atomprogramm des Mullah-Regimes werden immer kleinlauter. Von Sanktionen redet niemand mehr so gern

Es sah aus wie ein Kraftakt: Am Donnerstag beschlossen die Außenminister der drei EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie der EU-Außenbeauftragte Javier Solana den Abbruch der Verhandlungen mit Iran – und schlugen vor, den Streit über dessen Atomprogramm an den UN-Sicherheitsrat zu übermitteln. Doch die konzertierte Aktion gegen den Iran entpuppte sich schon gestern wie der Auftritt eines Löwen ohne Zähne. Die US-Regierung, schon lange eine Verfechterin einer harten Linie gegen den „Schurkenstaat“ Iran, machte einen Rückzieher. Der Iran müsse nicht sofort mit Sanktionen rechnen, sagte Außenministerin Condoleezza Rice. „Niemand sagt, dass es im UN-Sicherheitsrat unmittelbare Sanktionen geben muss. Wir sind offen dafür, den Iranern eine Chance zu geben, ihre Aktivitäten auszusetzen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Ich glaube, heute redet niemand von Sanktionen.“

Auch aus Großbritannien, das zuvor sogar ein militärisches Vorgehen gegen Iran nicht ausschloss, kamen nun sanftere Töne. Die internationale Gemeinschaft müsse eine sensible, geduldige Gangart wählen, sagte Außenminister Jack Straw. Der Streit könne „nur mit friedlichen Mitteln beigelegt werden; niemand spricht davon, in Iran einzumarschieren oder andere militärische Maßnahmen zu ergreifen“. UN-Generalsekretär Kofi Annan warnte vor einer Eskalation. Er riet, den Konflikt diplomatisch in den Gremien der Internationalen Atombehörde (IAEA) zu lösen.

Die allseitige Ernüchterung hat mehrere Gründe. Zunächst gibt es – juristisch betrachtet – keinen handfesten Grund für Sanktionen gegen Iran. Denn die Forderung Irans, den atomaren Brennstoff im eigenen Land zu produzieren, ist ein verbrieftes Recht eines jeden Unterzeichners des Atomwaffensperrvertrags. Zwar hat Iran jahrelang sein Atomprogramm verschwiegen, doch seit zwei Jahren wird dem Land eine enge Kooperation mit der Atombehörde bescheinigt. Teheran hat auch freiwillig das Zusatzprotokoll, das den Inspektoren unangemeldete Untersuchungen erlaubt, unterzeichnet. Beweise für Baupläne für Atombomben wurden bisher nicht gefunden. „Was haben wir eigentlich getan?“, fragte Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad.

Ein weiterer Grund für die jüngsten Beschwichtigungen mag darin liegen, dass man in Washington und Brüssel endlich begonnen hat, tiefer über die Konsequenzen einer Konfrontation nachzudenken. Zudem hat Teheran über seinen Außenminister Manuchehr Mottaki gedroht, keine Kontrollen der IAEA mehr zuzulassen, sollte der Sicherheitsrat angerufen werden – mit der Folge, dass Irans Atomprogramm völlig außer Kontrolle geraten könnte.

Würde der UN-Sicherheitsrat – vorausgesetzt, man würde China und Russland dafür gewinnen – tatsächlich Sanktionen gegen Iran beschließen, könnten die Verluste für den Westen weit höher sein als für den Iran selbst. Auch könnten sie das Regime stabilisieren, das von der überwiegenden Mehrheit des Volkes abgelehnt wird. Solche Angriffe von außen könnten es Radikalen wie Ahmadinedschad erlauben, mehr als bisher Hass zu schüren, Feindbilder aufzustellen und sich als Nationalheld zu präsentieren. BAHMAN NIRUMAND