Polnisches Martyrium in Berlin

Der rechte Vizepräsident des polnischen Parlaments, Marek Kotlinowski, schlägt vor, in Berlin ein „Zentrum des polnischen Martyriums“ einzurichten. Politiker von CDU und SPD befürworten dagegen ein polnisches Museum in der Hauptstadt

VON OLIVER HINZ

Auf Berlin kommt eine neue Denkmaldebatte zu. Der Vizepräsident des polnischen Parlaments, Marek Kotlinowski, fordert ein „Zentrum des polnischen Martyriums“ – nicht in Warschau, sondern in der deutschen Hauptstadt. Mit einem Parlamentsantrag will er die polnische Regierung für eine Berliner Gedenkstätte gewinnen, in der an die Nazi-Opfer seines Landes erinnert werden soll. Der 49-jährige Vorsitzende der rechtsextremen Liga Polnischer Familien versicherte der taz ganz versöhnlich: „Dieses Zentrum soll verbinden, nicht neue Gräben schaffen.“

Doch das darf bezweifelt werden. Die Idee für ein „Zentrum des polnischen Martyriums“ stammt vom Berliner Anwalt Stefan Hambura (44). „Es ist an der Zeit, so etwas in der Mitte von Berlin einzurichten“, sagte der in Schlesien geborene Deutsche der taz. „Die Wissenslücken über das Leid, das Deutsche Polen zugefügt haben, müssen beseitigt werden.“ Fast allen Bundesbürgern sei unbekannt, dass über 800 polnische Dörfer während des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen niedergebrannt und deren Bevölkerung ermordet wurde.

Stefan Hambura unterhält enge Kontakte zu rechten polnischen Parteien, besonders zur Familienliga Marek Kotlinowskis. Zugleich ist er Anwalt der „Polnischen Treuhand“, die als Reaktion auf Klagen von deutschen Vertriebenen ebenfalls juristische Schritte gegen die Bundesrepublik angedroht hat.

Im Sejm, dem polnischen Parlament, stehen die Chancen für ein solches Projekt gut. Was letztlich beschlossen wird, ist freilich noch völlig offen. Bislang war nur geplant, die kleine Zweigstelle der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Pankow zu einem „Polnischen Historischen Institut“ auszubauen. Zur Zeit erinnert in Berlin nur das polnische Ehrenmal im Volkspark Friedrichshain an den Beitrag der polnischen Soldaten an der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus. Es trägt die aus der Zeit der deutschen Polenbegeisterung Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Inschrift: „Für Eure und unsere Freiheit.“

Als Antwort auf die Initiative des Vizepräsidenten des Sejms hat der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz inzwischen einen eigenen Vorschlag unterbreitet. Polenz plädiert dabei für ein polnisches Museum in Berlin. Diese Einrichtung solle „den Deutschen die polnische Geschichte in ihrer ganzen Breite näher bringen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der taz. Damit spricht sich Polenz im Gegensatz zu Kotlinowski für ein Museum aus, das die deutsch-polnische Geschichte nach dem Vorbild des Jüdischen Museums wesentlich umfassender zeigt. „Solch ein Museum könnte außer dem Leid auch herrliche Augenblicke in der polnischen Geschichte zeigen. Das wäre sicherlich eine gute Sache“, erklärte Polenz. Er denke jedoch nicht an ein deutsch-polnisches Gemeinschaftsprojekt. „Die Initiative für das Museum kann nur von der polnischen Seite ausgehen“, meint er. Die Stadt Berlin sei an so einer Einrichtung aber sicherlich interessiert.

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Angelica Schwall-Düren, begrüßte den Vorschlag von Polenz. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft, die sie leitet, sei als Nichtregierungsorganisation gern bereit, bei der Umsetzung mitzuwirken.

Schwall-Düren bezweifelt ähnlich wie Polenz, dass ein „Zentrum des polnischen Martyriums“ die beste Form dafür ist, die polnische Geschichte in Berlin erlebbar zu machen: „Denn dies würde bedeuten, unsere östlichen Nachbarn in der deutschen Hauptstadt auf eine Opferrolle zu beschränken. Ich weiß nicht, ob das wirklich das Bild ist, das die meisten Polen transportieren möchten.“

Schwall-Düren betonte außerdem, dass es sich lohne, den Deutschen den gesamten kulturellen und historischen Reichtum Polens und der deutsch-polnischen Beziehungen zu vermitteln. Natürlich müsse in einem Berliner „Museum der deutsch-polnischen Geschichte“ die Zeit der deutschen Okkupation einen angemessenen Platz haben, betonte die SPD-Politikerin.