DER BAUCH WIRD ES RICHTEN, ABER DER KLIMAWANDEL KOMMT TROTZDEM
: Kartoffelskandal ohne Ditta

JULIA SEELIGER

Hand aufs Herz, wer hier hat schon mal Biokartoffeln aus Ägypten gekauft? Sie sind so glatt und schön, und es gibt sie schon im Winter, denn sie wachsen in der Wüste und „werden oft von Kindern eingesammelt“, wie die Süddeutsche Zeitung jetzt berichtete.

Abgesehen von der Frage, ob die Kinder in Ägypten nicht auch Arbeit haben sollen, bewegt mich der Kartoffelskandal wenig. Kartoffeln kosten trotz Kartell fast nichts, ich kaufe schon immer meine Lieblingssorte Ditta und achte drauf, dass die leckere Knolle aus der Region kommt. So schwer ist das ja nicht. Bei Kleidung kauf ich ja auch nicht in Bangladesch, sondern im Secondhandshop.

Der dummbratzige Biokäufer natürlich, der denkt nicht mehr nach, sondern wird getriggert durch das Biosiegel, und dann ist alles gut. Guten Tag, willkommen in der Biosphäre, hier sind Sie sicher, draußen ist alles Atom, Gen und Gift. Zigarettenautomaten gibt es da auch nicht, ist ja Gift. Gift gibt es im Bioland nicht, deswegen hatte mein Biosupermarkt auch nie Tabak da.

Tabak selbst anzubauen ist nichts, da droht die grüne Tabakkrankheit, und überhaupt führt dieses Angebaue doch zu nichts. Als diese Kolumne in ihrem ersten Jahr war, bauten wir Tomaten an, die wir nach dem Grünen-Spitzenteam benannten. Für Cem Özdemir gab es einen Bambusstab, der nach seinem Büroleiter benannt war, inzwischen hat er sich ja gut gemacht.

Im Jahr danach nannte ich die Tomaten und den Chili („Schily“) nach RAF-Anwälten und -Mitgliedern. Im dritten Jahr, es ist das letzte für diese Kolumne, habe ich Blumen gesät. Sie sollen Photosynthese machen, duften, Bienen anlocken und bunte Farben in mein Leben bringen. Tomaten in der Stadt, was soll der Unsinn, wofür wurden Supermärkte und türkische Gemüsehändler denn erfunden?

Ja, wenn man auf dem Land lebt, dann kann man in seinem Garten was Essbares wachsen lassen – aber mit der Begrünung der Dachgärten in den Städten ist es ja noch nicht weit gekommen und auch hochmoderne Pflanzreaktoren habe ich in Berlin noch nicht gesichtet. Nur die Prinzessinnengärten, über die schon in der New York Times berichtet wurde. Doch die Früchte des Anbaus direkt an einem Autokreisel waren – voller Gift. Wer hätte das gedacht.

Essensskandale gehören zu denen mit der geringsten Halbwertszeit, den Leuten ist nichts so nah wie der eigene Bauch. Lustgewinn, Lustprinzip, man kann den Menschen in seinen Impulsen nur schwer kontrollieren. Und überhaupt, was reden wir denn von Bionahrung, wenn die Aluminiumindustrie beim Emissionshandel großzügige Ausnahmen erhält. Der Verbraucher soll’s richten, nein, nicht mal das: Sein Bauch soll es richten, die Großkonzerne lachen sich ins Fäustchen.

Mittwoch Margarete Stokowski Luft und Liebe

Donnerstag Josef Winkler Wortklauberei

Freitag David Denk Fernsehen

Dienstag Deniz Yücel Besser

Mittwoch Matthias Lohre Männer

Vielleicht ist eh alles schon zu spät. Der Klimawandel kommt. Aber das heißt ja nicht, dass man sich nicht weiter für Verbesserungen einsetzen kann. Was soll man denn sonst schon machen, Cabrio fahren?

Lieber Kartoffeln kaufen. Die kosten fast nichts, machen ein gemütliches Gefühl im Bauch und lassen sich auf unzählige Arten und Weisen zubereiten.