Für Abtreibung und Homoehe

In Mailand und Rom gehen Hunderttausende, mehrheitlich Frauen, auf die Straße. Proteste richten sich auch gegen Einmischung des Vatikans in die italienische Politik

ROM taz ■ Der Samstag war kein schöner Tag für Papst Benedikt XVI.: In Rom und Mailand fanden Großdemonstrationen statt, die sich direkt gegen die vatikanische Einmischung in Italiens Politik richteten. In Mailand waren es an die 200.000 Menschen, in der Mehrzahl Frauen, die unter dem Motto „Wir lassen das Schweigen hinter uns“ für den Erhalt des liberalen Abtreibungsgesetzes auf die Straße gingen.

Der mächtige Demonstrationszug erinnerte an die besten Zeiten des Feminismus in den Siebzigerjahren, und auch die Slogans („Mein Bauch gehört mir“) waren aus der Vergangenheit geborgt. Eines aber war völlig anders: Drei Generationen – Großmütter, Mütter und Töchter – demonstrierten gegen die italienische Rechte und die Kirche, die eine Debatte über das Abtreibungsgesetz angezettelt haben.

Zeitgleich hatten sich in Rom etwa 50.000 Menschen auf der Piazza Farnese eingefunden, um die Schaffung eingetragener Lebensgemeinschaften zu fordern. Die linke Europaparlamentarierin Pasqualina Napoletano erinnerte daran, dass Italien einziges Land unter den EU-Gründungsstaaten ist, das an der Heteroehe als einziger Form staatlich geschützter Partnerschaft festhält.

Die Einmischung des Vatikans in die italienische Politik war der rote Faden, der die Proteste durchzog. Um der Kirche zu Willen zu sein, hat die Berlusconi-Koalition unlängst im Parlament einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der das „Funktionieren des Abtreibungsgesetzes“ überprüfen soll. Das Resultat stand bei Einsetzung des Ausschusses schon fest: zu wenig „Lebensschutz“. So soll das Abtreibungsgesetz in einem ersten Schritt ideologisch sturmreif geschossen werden.

Zugleich mauert die Rechte bei den eingetragenen Lebensgemeinschaften. Aber auch die Mitte-links-Opposition ist defensiv. So äußerte sich Oppositionsführer Romano Prodi „betrübt“ über die Demo in Rom, die er als „folkloristisches“ Spektakel abwertete. Der „Komplexität“ des Problems werde eine solche Kundgebung nicht gerecht. Prodi will zwar eingetragene Lebenspartnerschaften, aber nicht darüber reden und damit keinen Wahlkampf machen. Auch gegen diese Anpassungspolitik gingen die Hunderttausende auf die Straße. MICHAEL BRAUN