Faire Milch am Ende

ERNÄHRUNG Die Upländer Bauernmolkerei galt als Gegenmodell zum Preisdumping. Jetzt steht eines ihrer Werke vor dem Aus

Die Bauern haben die Reißleine gezogen und beschlossen, sich von dem Werk zu trennen

VON JOST MAURIN

BERLIN taz | Sie ist ein Vorzeigeprojekt der alternativen Landwirtschaft: Die Milcherzeugergemeinschaft Hessen gehört rund 170 Biolandwirten und macht seit Jahren mit ihrer Upländer Bauernmolkerei in Willingen-Usseln Gewinn; 2011 übernahmen sie sogar eine Molkerei im ebenfalls nahe Kassel gelegenen Neukirchen. Doch nun hat das Werk Insolvenz beantragt. In diesen Tagen wird über einen Verkauf des Standorts entschieden.

Umweltschützer und Bauernaktivisten haben die Upländer Bauernmolkerei als Gegenmodell zu den Molkereikonzernen beschrieben, in denen der einzelne Landwirt kaum Einfluss hat. Die Upländer werben mit dem Slogan „Erzeuger-fair Milch“. Jahrelang zahlten sie ihren Landwirten überdurchschnittlich hohe Preise für die Rohmilch. Das trug dazu bei, dass die Bauerinitiative ihren Umsatz auf 30 Millionen Euro pro Jahr steigern konnte. Sie beliefert unter anderem die Biosupermarktkette Alnatura.

Doch angesichts der Probleme der Molkerei Neukirchen geht das Geschäftsmodell nicht mehr auf. Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Milcherzeugergemeinschaft, Josef Jacobi, musste der Milchpreis für die Bauern im Februar um 18 Cent auf 22 Cent pro Kilogramm sinken. Der Rest werde nachgezahlt, „wenn wir wieder flüssig sind“, verspricht Jacobi. Für Lieferungen im März bekämen die Bauern nur 36 Cent, für April 38 Cent und für Mai voraussichtlich 40 Cent. Auch das ist weniger als der deutsche Durchschnitt.

Die Bauern müssen also bluten. Dürfen die Upländer dennoch „Erzeuger-fair Milch“ auf ihre Packungen schreiben? „Sie hatten jetzt keine Alternative mehr, als das Milchgeld zu senken. Es war wohl wirtschaftlich notwendig“, sagt Hans Foldenauer, Sprecher der Bunds Deutscher Milchviehhalter. Die Bauern hätten in einer Mitgliederversammlung selbst beschlossen, die marode Molkerei zu übernehmen.

Mit der Übernahme wollten die Upländer ihre Produktion steigern und das Sortiment auf länger haltbare Waren wie Käse erweitern – zunächst konventionellen, später dann lukrativeren Biokäse. Doch mit den niedrigen Preisen der Discounter lassen sich die Produktionskosten nicht hereinholen, sagt Jacobi.

Mitglieder der Molkerei werfen der Firmenleitung vor, sie hätte die Probleme früher erkennen und mitteilen können. „Das war keine Misswirtschaft“, entgegnet Jacobi. Er sieht die Schuld vor allem beim Beratungsunternehmen Team Müller Consulting, das bei der Übernahme geholfen hat: „Die haben uns zu spät darauf hingewiesen, dass die konventionelle Käse-Produktion für den Discounter bei diesen Preisen unwirtschaftlich ist.“

Der Chef des Beratungsunternehmens, Frank Müller, gibt den Schwarzen Peter zurück: „Wir haben sehr konsequent und sehr nachhaltig Maßnahmen eingefordert, die umzusetzen sind, damit das Werk erfolgreich geführt werden kann. Diesen Empfehlungen ist man nicht gefolgt“, sagt er. Dabei sei es um „Betriebsorganisation und Vertrieb“ gegangen. Fakt ist, dass Neukirchen auch zwei Jahre nach der Übernahme laut Jacobi nur zu zehn Prozent die lukrativeren Biokäse produzierte. Ob eine schnellere Umstellung auf Bio möglich gewesen wäre lässt sich von außen kaum beurteilen.

Die Bauern haben auf jeden Fall beschlossen, sich von dem Werk zu trennen, das in den vergangenen zwei Jahren 3,6 Millionen Euro Verlust gemacht hat. Verkaufsgespräche laufen, die 44 Mitarbeiter produzieren trotz Insolvenzantrag erst mal weiter.