EU will nicht mehr reden

Im Atomstreit mit dem Iran fordert die Troika, den UN-Sicherheitsrat anzurufen. Israelische Delegation verhandelt in Moskau

VON BAHMAN NIRUMAND

London, Paris und Berlin sind offenbar entschlossen, im Streit um das iranische Atomprogramm nun doch den UN-Sicherheitsrat einzuschalten. Wie das britische Außenministerium mitteilte, bereiten die drei EU-Staaten für die Sondersitzung der Internationalen Atombehörde (IAEO) am 2. und 3. Februar eine Resolution vor, in der die Anrufung des Weltsicherheitsrats gefordert wird. „Wir haben begonnen, eine Resolution zu entwerfen. Sie ist kurz. Sie fordert IAEO-Chef al-Baradei auf, den Iran an den UN-Sicherheitsrat zu überweisen“, sagte laut Reuters ein Diplomat.

Zuvor hatten bereits die USA eine Dringlichkeitssitzung der IAEO gefordert. Außenministerin Condoleezza Rice meinte, jedes weitere Abwarten gebe dem Iran die Chance, seine Atomwaffenpläne weiter zu verschleiern. Ob die beiden ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats Russland und China bereits ihre Zustimmung zu diesem Vorgehen erteilt haben, ist bisher unklar. Zwar haben die Vertreter dieser beiden Staaten dem britischen Außenministerium zufolge bei einem Treffen mit der EU am Dienstag in London zugestimmt, dass Iran auf eine Anreicherung von Uran verzichten soll. Alle beteiligten Staaten seien „ernsthaft besorgt über die Aktivitäten Irans zur Wiederaufnahme der Urananreicherung“, hieß es in der Erklärung des Außenministeriums. Auch EU-Chefdiplomat Javier Solana äußerte sich überzeugt, dass Russland wie auch China für eine Überweisung an den UN-Sicherheitsrat seien. Doch eine eindeutige Stellungnahme aus Moskau oder Peking liegt bislang nicht vor. Jedenfalls warnte Russlands Präsident Wladimir Putin vor übereilten Schritten. „Wir müssen in diesem Bereich sehr vorsichtig und akkurat arbeiten und harte Schritte vermeiden“, sagte er. Ein russischer Vermittlungsvorschlag, wonach Iran die Urananwendung im eigenen Land erlaubt werden und die eigentliche Anreicherung in Russland erfolgen soll, liegt noch auf dem Tisch. Iran hat zwar erklärt, auf das Recht der Urananreicherung nicht verzichten zu wollen, aber den Vorschlag bislang nicht abgelehnt. Die Verhandlungen darüber sollen am 17. Februar in Moskau fortgesetzt werden. Putin erklärte nach seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Positionen zwischen EU-Troika, Washington und Moskau seien „sehr nahe“ beieinander. Er wolle nicht ausschließen, dass noch ein Kompromiss gefunden werden könnte. Auch Peking hat in mehreren Appellen an die beteiligten Staaten verlangt, den Atomkonflikt im Rahmen der IAEO zu lösen und jeden Schritt, der zur Eskalation führen könnte, zu unterlassen. Sowohl Russland als auch China unterhalten weitreichende Wirtschaftsbeziehungen zum Iran.

Indes ist auch die israelische Regierung in dem Konflikt aktiv geworden. Eine ranghohe israelische Delegation hat sich am Mittwoch nach Moskau begeben, um die russische Regierung von der Notwendigkeit der Einschaltung des UN-Sicherheitsrats und Sanktionen gegen Iran zu überzeugen. Laut der israelischen Tageszeitung Ha’aretz hat die israelische Regierung auch den USA und der EU einige Vorschläge für Sanktionen vorgelegt. Dazu gehören Ölembargo, Ausschluss Irans von der Fußballweltmeisterschaft, Einreiseverbot für ranghohe iranische Politiker und Einschränkung des internationalen iranischen Flugverkehrs.

Doch gerade solche Vorschläge werden nicht nur von Russland und China abgelehnt, sie sind auch unter den EU-Ländern sehr umstritten. Denn ein umfassendes Wirtschafts- oder Ölembargo würde Iran zwar in Schwierigkeiten bringen, für den Westen jedoch wären die Folgen, etwa Probleme der Energieversorgung und ein Anstieg des Öl- und Gaspreises, schwerwiegend. Ein Ausschluss Irans von der Fußballweltmeisterschaft wäre für die Machthaber gleichgültig. Für das Volk aber, das lieber ins Fußballstadion geht als zum Freitagsgebet, wäre dies eine nicht nachvollziehbare und enttäuschende Strafe. Auch Reisebeschränkungen für iranische Politiker und Wissenschaftler würden wohl kaum die Staatsführung in die Knie zwingen. Politiker vom Schlage Ahmadinedschads werden ohnehin vorerst keine Einladung aus dem Ausland erhalten, höchsten eine aus Nordkorea.

Alles in allem sind Experten sich einig, dass Sanktionen gegen Iran kaum etwas ausrichten könnten. Im Gegenteil, sie würden das Regime eher stabilisieren. Will man eine Eskalation, die höchst wahrscheinlich die gesamte Region in Mitleidenschaft ziehen und zu internationalen Krisen führen würde, vermeiden, muss man die diplomatischen Bemühungen verstärken. Zu Verhandlungen gibt es keine Alternative.