unterm strich
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„Rupture The System“ – „Spreng das System“, das sprayt Nick in dem Film „The Graffiti Artist“ an Bushaltestellen und Häuserwände. Allein durchstreift er des Nachts Portland, um seine subversiv-künstlerische Obsession auszuleben. Dann stößt er auf Jesse, auch er seines Zeichens Graffitisprayer. Fast ohne Worte und nur über die Dose entwickelt sich in Jimmy Boltons Film eine den „Yo, Man!“-Modus überschreitende Liebesgeschichte zwischen den beiden Jungs. Die gemeinhin eher zur lauten Zwangsheterosexualität neigende Sprayer-und HipHop-Szene bekommt es mit in ihrer sexuellen Identität noch ziemlich ungefestigten Jugendlichen zu tun.

So traurig es ist: Eine derartige Fusion der Themen „Street Culture“ und „Homosexualität“ muss aber angesichts dessen, was sich die Berliner HipHop-Szene jetzt zum Filmstart geleistet hat, noch immer fast „mutig“ genannt werden. Das Berliner schwullesbische Kino Xenon plante zum Start von „The Graffiti Artist“ eine Podiumsdiskussion zum Schwulenhass unter HipHoppern und hatte dazu sämtliche Rap-Großkopferte aus Berlin eingeladen. Die Diskussion musste jetzt abgesagt werden: Es ließ sich einfach keiner der starken Jungs zum Reden gewinnen. Kool Savas hatte laut Lesben- und Schwulenverband (LSVD) „kein Interesse an dem Thema“ – in einem seiner Stücke aber holzt er: „Schwule Rapper, es wird Zeit dass wir Tacheles sprechen, ihr macht Welle, doch euer Flow ist Schwacheles“ – um damit zu schließen, dass er schwulen Rappern auf „den Teppich kacken“ will. Azad und Die Firma sagten ebenfalls ab. Das Management des Rappers Bushido – der unter anderem durch die mittlerweile zurückgezogene Textzeile „Ihr Tunten werdet alle vergast“ auffiel – schob seine bald startende Deutschlandtour vor: Eine Podiumsdiskussion sei jetzt „zu viel für ihn“. Anfragen an Aggro Berlin, das Label des Totenkopf-Masken-Prolls Sido, liefen vollkommen ins Leere.

Der LSVD gibt sich aber noch nicht geschlagen: Im Rahmen der von ihm ausgerichteten „Respect Games“ will er noch einmal versuchen, die sonst wenig maulfaulen Rapper zum Thema Homophobie zum Reden zu bringen – ein tatsächlich systemsprengendes Unterfangen. KR