DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL
: Endlich Märtyrer

ITALIEN Die Kirche spricht den Anti-Mafia-Priester Puglisi selig – ganz langsam

Am 15. September 1993 begrüßte er seine Killer mit einem bitteren Lächeln und dem Satz: „Damit habe ich gerechnet.“ Am Samstag nun ist der Anti-Mafia-Priester Pino Puglisi seliggesprochen worden.

Die katholische Zeremonie vom Wochenende, an der sich 100.000 Menschen beteiligten, war durchaus ergreifend – beim Spektakel haben die Katholiken immer noch die Nase vorn. Warum aber vergehen ZWANZIG JAHRE, bis die Kirche einen ihrer Funktionäre, der zum Märtyrer wird, als solchen anerkennt?

Die italienischen Mafias gibt es seit mindestens 150 Jahren. Und so lange sind ihre Mitglieder der Kirche auch als gläubige Katholiken bekannt. Für eine Distanzierung ließ man sich aber bis 1982 Zeit: bis zur Beerdigung des von der Cosa Nostra ermordeten Polizeigenerals Carlo Alberto dalla Chiesa. Und es brauchte noch mal 10 Jahre, bis Johannes Paul II. in einer berühmt gewordenen Predigt die Killer direkt ansprach: „Bekehrt Euch! Eines Tages wird das Urteil Gottes kommen!“

Worte, die Papst Franziskus beim Angelus-Gebet am Sonntag aufgenommen und ergänzt hat: „Beten wir für die Umkehr dieser Mafiosi zu Gott!“ Aber reicht es, dass die Mafiosi beichten und damit ihr persönliches Seelenheil zurückerlangen? So hübsch privat hat es die Kirche all die Jahre gehalten; auch deswegen musste Puglisi damit rechnen, dass seine Kirche ihn schutzlos lassen würde. Kardinal Salvatore De Giorgi, der die Seligsprechung in Palermo leitete, hat nun neue Wort gefunden. Die Mafia sei „eine perverse Struktur der Sünde gegen die Menschlichkeit und gegen das Evangelium“. Besonders „hinterhältig und gefährlich“ sei dabei, dass sie „sich auch noch mit religiösen Zeichen und Bezügen umgibt“. Puglisi könnte das ein milderes Lächeln entlocken: Auch Arbeitgeber können lernen. AMBROS WAIBEL