Ein Hocker bangt um seine Existenz

Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat vielleicht nicht endgültig über das Bauhaus-Sitzmöbel „B 9“ entschieden

Erst die breite Streuung der Nutzungsrechte durch Marcel Breuer führte zu den Auseinandersetzungen, wer die Möbelstücke verwerten darf

Ein Hocker ist manchmal nicht einfach nur ein Hocker. Jedenfalls nicht, wenn ihn 1925 die Bauhaus-Ikone Marcel Breuer entworfen hat. Seit vielen Jahren streiten sich Unternehmen um die lukrativen Lizenzen für den Nachbau. Gestern zog das Düsseldorfer Oberlandesgericht einen Schlussstrich unter einen Rechtsstreit zwischen den Design-Möbelfirmen Knoll International aus Köln und tecta aus dem niedersächsischen Lauenförde. Beide haben den Stahlrohr-Hocker B9 in ihrem Programm. Beide glauben, seit Jahrzehnten im Besitz der Urheberrechte zu sein. Das Oberlandesgericht entschied sich jetzt für die Kölner Firma, die den Breuer-Hocker unter dem Namen „Laccio“ vertreibt. Tecta darf ihn nun nicht mehr verkaufen und muss alle Bestände vernichten. Eine Revision ist nicht zugelassen. (Az.: I-20 U 59/05)

Das scheint das Ende eines fast fünfjährigen Rechtsstreits zu sein, indem es neben einer Stange Geld auch um den Umgang mit dem Nachlass eines deutschen Designers geht. Tecta-Geschäftsführer Christian Drescher hat deshalb noch Hoffnung. Man habe zu lange dafür gekämpft. Das gleiche Möbelstück der beiden Firmen sei nämlich nicht völlig identisch, es habe sogar unterschiedliche Maße. Tecta vertreibe die vernickelte Urform von Marcel Breuer (45x38x45 cm). Knoll dagegen einen durch die Erben autorisierten Nachbau in Chrom.

Dieser Aspekt sei wichtiger als die vom Gericht favorisierte Urheberrechtsfrage. Sein Anwalt prüfe deshalb gerade eine Nichtzulassungsbeschwerde. „Vielleicht bekommen wir beim Bundesgerichtshof doch noch Gehör“ sagt Drescher zur taz. Traurig macht ihn die Vorstellung, dass die 1925er Urform (aller Stahlrohrmöbel) des amerikanischen Architekten und Designers ungarischer Herkunft ansonsten nur noch noch im Museum zu sehen wäre. Einen geringen Bestand der originalen Nachbauten habe Tecta in Lauenförde noch auf Lager.

Und wenn das Urteil doch rechtskräftig werden sollte? „Dann werden wir unsere Hocker vernichten“, sagt Drescher.

PETER ORTMANN