Der Srebrenica-Aufklärer

Will man einen klassischen Fall von politischem Asyl beschreiben, der von Jovan Mirilo wäre so einer. Er floh 2005 aus seiner serbischen Heimat, weil er dort ständig mit dem Tod bedroht wurde. Nicht vom Staat, aber von Leuten mit Einfluss und militärischer Vernetzung. Mirilo hatte einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung eines der größten Kriegsverbrechen der Balkankriege geleistet – des Massakers von Srebrenica.

Der Mann, der 1965 in der Stadt Sid in der Vojvodina geboren wurde, betrieb eine Boutique, bis er 2005 über Nacht zum Menschenrechtsaktivisten wurde. Im Fernsehen hatte er den Auftritt des Präsidenten des serbischen Karpfenzüchtervereins gesehen. Dieser Mann, so wusste er, war Mitglied der Sondereinheit Skorpione der serbischen Armee gewesen. 1995 waren die Skorpione beteiligt, als im bosnischen Srebrenica 8.000 Muslime ermordet wurden.

Mirilo gelang es, ein Video an die Öffentlichkeit zu bringen, auf dem ein Beteiligter eine Gruppenerschießung festgehalten hatte. Das Video dient dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag als Beweis für die direkte Verstrickung des serbischen Milošević-Regimes in das Massaker.

Mirilo hatte aber fortan keine ruhige Stunde mehr. Er floh mit Frau und Tochter nach Österreich, wo er um Asyl nachsuchte. 2007 erhielt er den Bruno-Kreisky-Preis für Menschenrechte. „Seitdem der internationale Gerichtshof in Den Haag und der Belgrader Sender B 92 das Video ausstrahlten, wurden einige Todesschützen verhaftet. Gleichzeitig musste Herr Mirilo wegen der gegen ihn, seine Frau und seine Tochter einsetzenden Gewalt und fortgesetzter Morddrohungen aus Serbien fliehen“, heißt es in der Begründung der Jury.

Die Asylbehörde in Wien sieht das anders. Der Asylantrag wurde abgewiesen, Mirilo und seine Familie können vor der Entscheidung der Berufungsinstanz abgeschoben werden. Als Begründung dient auch ein Gutachten, das Mirilo als Schwindler darstellt, der selber zu den Skorpionen gehöre. Im TV-Magazin „Report“ wurde das Gutachten vor wenigen Tagen zerpflückt. Mirilo blickt seiner möglichen Abschiebung mit Panik entgegen: „Ich habe keine Chance, zu überleben.“ RALF LEONHARD