Ein willkommenes Gerücht

ASYL Die Hamburger St. Pauli Kirche soll Gaddafi-Söldner aufgenommen haben, so wird gemunkelt

Die Solidarität mit den in Hamburg gestrandeten rund 300 afrikanischen Kriegsflüchtlingen hat mit der Notunterbringung in der Kirchengemeinde St. Pauli eine besondere Dimension erreicht. Trotzdem sollen sie abgeschoben werden – und ein Gerücht könnte dem Senat bei seinem Vorhaben zupasskommen.

Gestern meldete Radio Hamburg, dass einige der offiziell als Wanderarbeiter tätigen Männer womöglich in Libyen unter dem Gaddafi-Regime als Söldner angeheuert worden waren. „Wir haben lediglich gesagt, welche Vermutungen es gibt“, sagte ein Radio-Hamburg-Moderator im Gespräch mit dem Pastor der St. Pauli Kirche, der den Söldner-Vorwurf zurückwies. Doch auch die Bild will aus „Sicherheitskreisen“ erfahren haben, es sei „nicht ausgeschlossen, dass die Männer selbst in den Krieg verstrickt gewesen sind“.

„Das sind offensichtlich Spekulationen“, sagt Innenbehörden-Sprecher Frank Reschreiter: Solange man die Papiere der Männer nicht kenne, könne man auch nichts über sie herausfinden. Zuletzt war die gemeinsame Unterbringung der Flüchtlinge laut Diakonie an der Forderung der Stadt nach einer „Registrierung“ der Männer gescheitert.

„Mehr als dieses Gerücht kennen wir auch nicht“, sagt Hamburgs Verfassungsschutzchef Manfred Murck. Laut Murck gebe es auch keinen Grund, die Gruppe zu beobachten. Es sei den Behörden nur aufgefallen, dass die Flüchtlinge, die sich zur „Lampedusa-Gruppe Hamburg“ zusammengeschlossen haben, „strukturiert auftreten und sich gut präsentieren können“. Dies sei „das Fragezeichen, was über den Flüchtlingen lastet“. Die betroffenen Flüchtlinge weisen diese Gerüchte zurück. „Wir sind keine Söldner“, sagt ihr Sprecher Affo Tchassei. Die Behörden verweigerten ihnen vielmehr die Hilfe, die ihnen zustehe.

Für die evangelische Nordkirche, die derzeit rund 70 Flüchtlingen einen Schlafplatz bietet, spielt deren Vergangenheit keine Rolle. „Es steht der einzelne Mensch im Vordergrund“, sagt Sprecher Mathias Benckert, „unabhängig davon, wie seine Geschichte ist.“  KLU/KVA

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