Eine gewagte Neuaufstellung

USA Mit Susan Rice als Sicherheitsberaterin und Samantha Power als Botschafterin bei der UNO befördert Obama äußerst umstrittene Frauen. Ändern sie die US-Außenpolitik?

Beide Frauen sollen zu humanitär begründeten Militärinterventionen neigen

VON BERND PICKERT

BERLIN taz | Es sind zwei hochpolitische Nominierungen, mit denen US-Präsident Barack Obama aufwartet. Ob sie aber auch einen Schwenk in der US-Außenpolitik bedeuten, darüber rätseln auch die US-Kommentatoren noch. Mit Susan Rice als Nationaler Sicherheitsberaterin und Samantha Power als Botschafterin bei der UNO kommen zwei Frauen in Schlüsselpositionen, denen nachgesagt wird, sie sähen sich als Aktivistinnen für humanitär begründete US-Militärinterventionen. Beide sind in den 40ern, und beide haben die großen humanitären Katastrophen der letzten zwanzig Jahre, von Ruanda über Srebrenica bis Darfur, als Schande empfunden.

Wenn das tatsächlich die Triebfedern des politischen Handelns beider Frauen sind, dann müsste ihre Nominierung bedeuten, dass sich die abwartende Zurückhaltung der US-Regierung im Fall Syrien bald ändert. Davon geht bislang allerdings kein US-Kommentator aus. Richard Haas, Chef des einflussreichen Council on Foreign Relations, sagt über Rice’ neue Rolle: „Sie kann dem Präsidenten natürlich ihre Überzeugungen kundtun, und das wird sie auch machen, aber der Präsident muss diesen Rat ja nicht annehmen.“ Bislang haben sich weder Rice noch Power für eine Intervention in Syrien ausgesprochen.

Allerdings: Obama hat Rice sicherlich nicht zur Nationalen Sicherheitsberaterin gemacht, um ihren Rat auszuschlagen. Beide Frauen stehen für die außenpolitischen Grundwerte, die auch Obama bei seiner Kandidatur 2008 in den Mittelpunkt stellte: Eine Reparatur des unter George W. Bush angeschlagenen Images der USA, die Überzeugung, dass der Dialog auch mit den Gegnern der USA gesucht werden müsse – diese Woche traf sich Außenminister John Kerry mit venezolanischen Regierungsvertretern, um über eine Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu sprechen –, Multilateralismus und Arbeit mit der UNO und ein grundsätzliches Eintreten für Menschenrechte und Demokratie.

Unter Rice’ Vorgänger Tom Donilon war diese Art von aktiver und wertegeleiteter Außenpolitik in den Hintergrund gerückt. Manche Kommentatoren glauben, dass Obama jetzt, in seiner zweiten Amtszeit, erst wirklich anfange, seine eigene Außenpolitik zu betreiben – ohne Angst vor den Militärs haben zu müssen, weil die zwei geerbten Kriege bald der Vergangenheit angehören, und ohne Angst vor republikanischer Kritik, weil Obama selbst nicht mehr wiedergewählt werden kann bzw. muss.

Rice ist erfahren und unerbittlich genug um auch schwierige Vorhaben anzugehen. So wie sie – gemeinsam mit Samantha Power – Obama 2011 dazu brachte, dem Libyen-Einsatz zuzustimmen und dazu das Mandat im UN-Sicherheitsrat organisierte, könnte sie auch bis zum Ende von Obamas Amtszeit 2016 noch einiges vorhaben. Was das aber heißt, wird nur spekuliert: Ein neuer Anlauf mit dem Iran? Stärkeres Engagement bei internationaler Klimapolitik? Ernsthafte Nahost-Initiativen? Neue Runden atomarer Abrüstung?

Power ist für Obama das größere Risiko. Im taz-Interview 2007 nach möglichen Posten in einer Obama-Regierung befragt, sagte sie: „Ich bin Journalistin und Professorin, habe niemals eine verantwortliche Führungsposition innegehabt, und wenn Sie mich besser kennen würden, wüssten Sie auch, warum das keine gute Idee wäre …“

Genau das hat Obama nun aber getan, und schon werden der irischstämmigen 42-Jährigen zukünftige Optionen auf das Außenministerium nachgesagt. Das erscheint überzogen. Als Intellektuelle mit Menschenrechtshintergrund war Power bislang vor allem Beraterin. Was sie in der Öffentlichkeit sagte, hat sie öfter bedauert, etwa über den Wahlkampf ihres neues Vorgesetzten John Kerry, der 2004 bei der Präsidentschaftswahl seine Vergangenheit als Vietnamveteran in den Vordergrund stellte: „Er muss wohl gedacht haben, dass ihm ein Schrapnell im Arsch irgendwelche Glaubwürdigkeit verlieh. Hat es nicht.“ Und sie bezeichnete Hillary Clinton einst als „Monster“. Nicht sehr diplomatisch.

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