Warum Rashmi starb

GESELLSCHAFT Nirgends zeigt sich deutlicher, wie Frauen in Indien diskriminiert werden, als im Bundesstaat Madhya Pradesh. Es beginnt schon bei den kleinsten Mädchen

■ Delhi: Seit der Vergewaltigung einer Studentin in Delhi im Dezember 2012 wird in indischen Medien stärker über die Diskriminierung von Frauen berichtet. Die Times of India hat eine eigene Online-Rubrik eingerichtet: bit.ly/Za7SvO. „Trucker vergewaltigen US-Touristin“, „Geschäftsmann wegen Vergewaltigung von Irin festgenommen“, „Studentin in Bahadurgarh vergewaltigt“. Das sind nur die Meldungen dieser Woche.

■ Ramgarhwa: Seltener werden Geschichten vom indischen Land erzählt, wo Frauen aus niedrigeren Kasten vergewaltigt werden oder Mädchen verhungern. Drastisch zeigt sich das in Dörfern wie Ramgarhwa in Madhya Pradesh. Die Ökonomen Siwan Anderson und Debraj Ray sprechen von zwei Millionen fehlenden Frauen in Indien, von denen 12 Prozent direkt nach der Geburt verschwinden, 25 Prozent in ihrer Kindheit und 63 Prozent als Erwachsene.

AUS RAMGARHWA GEORG BLUME
UND RICHA HANSRAJ (FOTOS)

Die Holzsammlerin Raj Kumari, die ihre Tochter Rashmi hat verhungern lassen, wohnt ganz hinten im Dorf. Vor ihrer niedrigen Lehmhütte liegt ein alter Mühlstein, halb vergraben. Rund um ihren kleinen Innenhof wächst eine Kürbishecke.

Ganz vorne, an der geteerten Straße, wohnt der Landbesitzer. Vor seinem Ziegelhaus steht ein Traktor. Eine lange, weiß gestrichene Lehmmauer schützt sein Anwesen.

Ramgarhwa heißt der Ort. Er liegt zwischen Dschungel und Senffeldern, im Bundesstaat Madhya Pradesh, fernab aller großen Städte, in der geographischen Mitte des Landes – im ganz gewöhnlichen Indien.

Hähne schreien, Wildschweine suhlen sich im Schlamm, Antilopen huschen über die Wege. In Dörfern wie Ramgarhwa wohnt bis heute die große Mehrheit der Inderinnen und Inder.

Es ist seit der Vergewaltigung von Delhi immer wieder über Gewalt gegen Frauen in Indien berichtet worden. Es war dabei viel die Rede von der Gefahr für Frauen, wie sie Angehörigen der Mittelschicht in den Städten begegnet. Oder Touristinnen. Erst in dieser Woche ist in Manali im Himalaja-Gebirge eine Amerikanerin von drei Männern vergewaltigt worden. Von der Diskriminierung im Verborgenen, in den Dörfern, in den Großfamilien, in den Ehen, war in den indischen Medien weniger zu lesen und zu hören.

Nirgends lässt sich besser ergründen, wie Indiens Frauen im Alltag diskriminiert werden, als in diesem Dorf namens Ramgarhwa, im Distrikt Rewa des Bundesstaats Madhya Pradesh, wo Rashmi starb, weil ihre Eltern ihr nicht genug zu essen gaben.

Wenn man versuchen will zu verstehen, wie das geschehen konnte, muss man sich in den Schatten der Lehmmauer des Landbesitzers ducken und schnell an ihr vorbeihuschen. Sonst sehen einen die Arbeiter und Gefolgsleute des Landbesitzers, die von dessen Wohlwollen abhängen, und belagern Raj Kumaris Hütte. Man kann dann nicht mehr mit ihr reden.

Ramnaresh Yadav, ein Mitarbeiter der indischen Nichtregierungsorganisation „Recht auf Ernährung“, hat Kumari schon mehrmals besucht. Man hat ihm Prügel angedroht, falls er wiederkommen würde. Yadav, ein ruhiger Mann aus einer niedrigen Handwerkerkaste, ist an diesem Morgen besonders früh nach Ramgarhwa gekommen. Niemand im Dorf merkt etwas.

Die Kinder schreien. Kumari reagiert nicht

Raj Kumari hängt gerade eine abgenutzte Jeans zum Trocknen auf. Ihren Kopf hat sie mit dem Schal ihres rosa Sari verhüllt. Neben ihr steht ihr Mann und beginnt schon nach der kurzen Begrüßung zu zittern. Er hat Angst, dass es Ärger gibt. Ram Das ist 28 Jahre alt, ein kleiner Mann in verstaubten Kleidern. In einem nahe gelegenen Steinbruch transportiert er Bausand ab.

Er müsse jetzt schnell zur Arbeit, sagt er. Dann ist er weg.

Kumari blickt nicht auf, als ihr Mann verschwindet. Sie holt Brunnenwasser aus einem Eimer und wäscht die kleinen Körper ihrer Kinder. Dabei legt sie ihren Schal ab. Ihr feines Gesicht ist ausdruckslos, als wolle sie keinerlei Gefühl zeigen.

Raj Kumari ist 27 Jahre alt. Ihre Kinder schreien und zappeln, als Wasser auf ihre Haut trifft. Kumari reagiert nicht. Kein Wort. Sie wäscht die Kinder behutsam mit Seife und einem einfachen Baumwolltuch.

Ihre Tochter Khushboo ist fünf Jahre, ihr Sohn Sachin zwei Jahre alt. Ihre jüngste Tochter Rashmi starb vor vier Monaten.

Sie war erst wenige Monate alt, als sie verhungerte. Yadav von der Organisation „Recht auf Ernährung“ hätte Rashmi helfen können, aber er kam zu spät.

„Es gab einfach nicht genug zu essen“, sagt Kumari. Yadav nickt ihr zu, als müsste er sie trösten. Bei der Geburt sei es Rashmi noch gut gegangen, doch schon nach drei Monaten habe sie gespürt, wie schwach die Tochter sei. „Meine Milch war wie Wasser“, sagt sie.

Manchmal trank auch ihr Sohn Sachin noch von ihrem Busen. Dass er Rashmi die Milch wegnahm, glaubt sie nicht: „Mir fehlte die Kraft. Schon in der Schwangerschaft war ich schwach.“

Es klingt, als wolle sie sich selbst die Schuld an Rashmis Tod geben. Nur über die allgemeine Not klagt sie: „Es gab für Rashmi einfach nicht genug zu essen, nur Reis und Linsen“, sagt sie.

Über die größeren Fragen scheint sie nicht nachdenken zu wollen. Vielleicht würde man ihr das im Dorf übel nehmen. Vielleicht sind die Fragen auch einfach zu grundsätzlich, zu groß für eine Frau wie Raj Kumari.

Welche Verantwortung trägt beispielsweise ihr Ehemann, der eben noch vor Angst zitterte und dann davon lief? Wovor genau hat er Angst? Auch davor, dass der Helfer von „Recht auf Ernährung“ nach seiner Verantwortung fragen würde?

Er ist das Familienoberhaupt. Raj Kumari bereitet ihm jeden Tag das Essen zu, bevor sie seine Reste essen darf. Hätte er nicht mehr von seinem Brot und Reis seiner Frau und Rashmi abgeben können? Abgeben müssen?

Es sind Fragen, die niemand stellt, wenn in Ramgarhwa ein Mädchen stirbt.

„Wir haben Rashmis Kleider verbrannt. Dann haben wir ihre Asche auf den Fluss gestreut. Nichts von ihr ist geblieben“, sagt Raj Kumari.

Sie erzählt davon nicht erbost oder klagend, eher gleichmütig, als gehöre Rashmis Todesfeier zum Lauf der Dinge. Ob sie sich vorstellen könne, dass auch ihr Sohn Sachin ein Schicksal wie Rashmi erleide? „Nein, ich habe noch nie um das Leben meines Sohnes gebangt. Weil er noch nie schwach war“, sagt Kumari streng.

Ihr Sohn? Sie schaut die Besucher scharf an

Zum ersten Mal an diesem Morgen zeigt ihr Gesicht Ausdruck. Scharf schaut sie ihre Besucher an. Auf Sachin lässt sie nichts kommen. Der Sohn ist ihr ganzer Stolz. Aber sollte sie ehrlicherweise nicht sagen, dass ihr Sohn nie schwächelte, weil sie ihm immer mehr als ihren Töchtern zu essen gegeben hat?

Auch an diesem Morgen ist es so: Immer erst Sachin, der Sohn, dann Kushboo, die Tochter. Er wird zuerst gewaschen, zuerst geschrubbt, zuerst getrocknet. Immer muss Kushboo warten. Niemandem scheint das aufzufallen. In Ramgarhwa spricht man nicht über die Diskriminierung von Frauen oder Mädchen.

Selbst der NGO-Mann Yadav versucht sich herauszureden. In Ramgarhwa würden alle armen Kinder an Hunger leiden, sagt er, egal ob Mädchen oder Jungen.

Erst zehn Fahrtstunden weiter, in Bhopal, der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh, benennt der Gründer von „Recht auf Ernährung“, was dort passiert, genauer: „Ein unterernährtes Mädchen ist für die meisten Familien im Dorf nicht wirklich wichtig. Wenn es stirbt, sagen viele Eltern, sie hätten sich ja auch um die Ziegen kümmern müssen“, sagt Sachin Jain.

Der Sozialforscher, 39, trägt eine traditionelle Kurta, sitzt vor einem alten Computer im Büro seiner Organisation und tippt Umfragedaten ein. Gemeinsam mit der Regierung von Madhya Pradesh arbeitet er an der Entwicklung eines Modells, bei dem nicht mehr nur staatliche Almosen helfen sollen, den Hunger in den Dörfern zu bekämpfen.

Jain ist einer der wichtigsten Experten für Unterernährung in Indien. Der indische Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen und sein Co-Autor Jean Dreze haben sich auf seine Forschungsergebnisse gestützt.

„In Madhya Pradesh steht heute das Überleben der Töchter auf dem Spiel“, sagt Jain.

Er verweist auf Zahlen von Volkszählungen. Das Geschlechterverhältnis der unter Sechsjährigen im Bundesstaat von 1.000 Jungen zu 932 Mädchen im Jahr 2001 hat sich auf 1.000 Jungen zu 912 Mädchen im Jahr 2011 verschlechtert. Die Sterblichkeitsrate für Mädchen ist deutlich höher als die für Jungen.

Genaue Opferzahlen liegen für das Jahr 2003 vor: 117.000 mehr Mädchen als Jungen starben damals in Madhya Pradesh, alle im Alter bis zu 15 Jahren.

Heute dürften es jedes Jahr noch mehr Opfer sein. Warum ist das so? Warum sterben in ganz Indien mehr Frauen als Männer – fast egal in welchem Alter?

Vor über zwanzig Jahren hatte Nobelpreisträger Sen eine klare Antwort gegeben. Sen hatte die Bevölkerungszahlen von Männern und Frauen in den reichen Industrieländern und den armen Entwicklungsnationen verglichen. Laut Sen gab es im Jahr 1990 in den Entwicklungsländern hundert Millionen Frauen weniger, als bei einem normalen Geschlechterverhältnis wie in den Industrieländern zu erwarten gewesen wäre. Sen sprach von „fehlenden Frauen“.

„Eine schreckliche Geschichte von Ungleichheit und Missachtung“ macht er für ihren Tod verantwortlich. Es ist eine Missachtung, die sich auf vielen Ebenen zeigt. Als das indische Parlament in diesem Frühjahr ein neues Gesetz beschloss, das Vergewaltigungen stärker bestraft, wurden Vergewaltigungen in der Ehe bewusst straffrei gelassen. Vergewaltigungen also, wie sie auch häufig in Dörfern wie Ramgarhwa vorkommen dürften, in der gesellschaftlichen Mitte Indiens.

Für Indien gibt es heute genaue Berechnungen zweier nordamerikanischer Wissenschaftler, die belegen, in welchem Bundesstaat und in welchem Alter wie viele Frauen fehlen. Mehr als 1,2 Milliarden Menschen leben in dem Land. Laut Ray Debraj, Wirtschaftsprofessor an der New York University, und Siwan Anderson, Wirtschaftsprofessorin an der University of British Columbia in Vancouver, beläuft sich die Zahl der fehlenden Frauen in Indien jährlich auf mehr als zwei Millionen.

Besonders hoch ist die Opferzahl unter jungen Mädchen bis 15 Jahre: Es waren 2003 insgesamt 558.000 mehr Mädchen als Jungen, die in ganz Indien starben. Dennoch untersucht bisher niemand, wer genau diese Mädchen sind, wie sie sterben, ob sie getötet oder gar ermordet wurden. Stattdessen gilt für sie, was für Rashmi im Dorf Ramgarhwa gilt: Keine Spur bleibt zurück.

Niemand ist für Rashmis Tod verantwortlich. Sogar die Eltern wollen ihn schnell vergessen. „Die Dinge liegen ungeheuer gut verborgen“, sagt der Forscher Jain.

Man muss sich auch fragen, wie sehr man die Holzsammlerin Kumari und ihren Mann für den Tod von Rashmi anklagen kann. Kumari sucht jeden Tag im Dschungel Brennholz, das sie verkauft und auch selbst benutzt. Ihre Arbeit hat den niedrigsten Status im Dorf. Sie ist hart und ungeheuer zeitaufwendig. Es fällt ihr schwer, sich richtig um ihre Kinder zu kümmern.

Die Mädchen gelten als finanzielle Belastung

„Die Eltern verfügen über ein absolutes Niedrigsteinkommen“, sagt die Ökonomin Anderson in Vancouver. Mädchen seien in Indien nun mal eine riesige ökonomische Belastung. „Sie verlassen ihre Familie bei der Heirat und bringen keinerlei Einnahmen.“

Raj Kumari bereitet am Vormittag Reis und Weizenbrot zu. Ihr Mehlsieb ist an einer aufgeschnittenen Erdnussdose der deutschen Lebensmittelmarke Ja! befestigt. Kumari fällt das nicht auf. Sie kann wie die Mehrheit der indischen Landbewohnerinnen nicht lesen. Lange knetet sie den runden Weizenteig. Vor ihrer Hütte wächst ein kleiner Tulsi-Busch, das indische Basilikum, aus dessen Blättern sie gelegentlich Tee kocht. Unter das niedrige Strohdach hat sie Pfauenfedern gesteckt, die sie im Dschungel gefunden hat.

Während sie in ihrer Hütte kocht, ist sie nicht allein. Die Schwiegermutter schaut die ganze Zeit zu. Sie achtet an diesem Tag sehr darauf, dass Kumari nicht zu selbstmitleidig klingt, wenn sie über den Tod von Rashmi redet.

Als sie den Teig knetet, seufzt Kumari plötzlich. „Uns kann einfach nicht geholfen werden“, sagt sie. Die Schwiegermutter unterbricht das Gespräch sofort.

Sie vertritt die Interessen ihres Sohnes. Der will einen zweiten Sohn und keine weitere Tochter. So viel verrät Kumari, als sie sich einen Augenblick unbeobachtet wähnt. Wobei nicht klar wird, ob sie das sieht wie ihr Mann.

Sie steht unter Druck. Und diesen Druck scheint sie weiter zu geben: an Kushboo. Ihre fünf Jahre alte Tochter muss überall helfen, Unkraut rupfen, wildes Gras sammeln und der Mutter gehorchen. Keiner beachtet sie. Sachin, ihr kleiner Bruder, darf den ganzen Tag mit dem Ball spielen, die Mutter stören, schreien und wird trotzdem von jedem Besucher liebkost. Er bekommt auch zwischendurch ein Stück Weizenbrot, als Kumari das Feuer entzündet und in der Pfanne Brot röstet. Alle anderen – Frau, Schwiegermutter und Tochter – müssen warten, bis der Mann wieder zurück ist.

In der Ferne sieht man von Kumaris Hütte aus die dicht bewachsenen Berge, von denen sie das Holz holt. Sie ist dann immer mehrere Stunden unterwegs.

Das ist für die Töchter die schlimmste Zeit, sagt der Sozialforscher Jain in Bhopal. Denn wenn die Mutter tagsüber fort ist, werden die Mädchen von den Verwandten erst recht schlecht behandelt. „Dann bekommt der Junge zu essen und das Mädchen wird zur Seite gestoßen“, sagt Jain.

Der naheliegende Grund: Alle betrachten die Jungen als diejenigen, die künftig das Geld verdienen werden, und das Mädchen nur als Belastung wegen der Mitgift, die man bei einer Hochzeit für sie zahlen muss.

Will man lieber ein Kind oder einen Kühlschrank?

Dabei herrschen in Dörfern wie Ramgarhwa einerseits immer noch feudale Strukturen. Frauen niedriger Kasten kann es passieren, dass sie von Männern oberer Kasten unter dem Vorwand vergewaltigt werden, der unteren Kaste im Dorf müsse „eine Lektion erteilt werden“.

Andererseits dringt die moderne Konsumgesellschaft mit ihren neuen Bedürfnissen – Fernseher, Kühlschrank, Motorrad – bis in die Dörfer vor und verlangt auch von armen Familien neue Prioritäten: Will man lieber Kind oder Kühlschrank? Beides kann man sich nicht leisten.

Die Antwort lautet dann oft: lieber Kühlschrank als Tochter.

Auch die Zahl selektiver Abtreibungen von weiblichen Föten wächst. 265.000 Frauen verlor Indien im Jahr 2003 auf diese Art. 398.000 indische Frauen zwischen 15 und 45 Jahren starben im gleichen Jahr – viele wegen Blutarmut bei der Geburt, eine Folge der Unterernährung. Oder sie wurden als Bräute verbrannt, weil sie nicht genug Mitgift eingebracht hatten.

Debraj und Anderson – die Ökonomen, die all diese Zahlen berechnet haben – vermuten, dass ältere Frauen in Indien einfach nicht zum Arzt gehen oder die Familien das nicht erlauben. Deshalb sterben sie dann früher als Männer. Es gibt innerhalb der Gesellschaft, in den Dörfern, kaum eine Vorstellung davon. Und auch die Politik ignoriert die Toten.

Als der indische Premierminister Manmohan Singh vor einigen Wochen in Berlin auf einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die jährlich zwei Millionen fehlenden Frauen in Indien angesprochen wurde, sagte Singh zwar: „Ich kann bestimmte Entwicklungen nicht leugnen“.

Doch dann lenkte er die Aufmerksamkeit, wie in Indien üblich, schnell auf die allgemeine Armutslage des Landes. Nur schnelleres Wirtschaftswachstum, sagte Singh, könne die Probleme lösen.

„Wir unterrichten die Gesetze des Patriarchats von klein auf, schon mit dem ersten Schulbuch“, versucht sich der Forscher Jain an einer Erklärung.

„Mein Mann ist mein Gott, nur manchmal bete ich auch zu Gott Shiva“, sagt die Holzsammlerin Raj Kumari.

Lange müssen die Frauen an diesem Tag auf Ram Das warten. Kumari ärgert sich richtig, als er in der Abenddämmerung endlich nach Hause kommt.

Sie essen der Reihe nach: Vater, Sohn, Mutter

Was er noch auf dem Markt getrieben habe, herrscht sie ihn an. Nachbarinnen hatten ihn gesehen und ihr davon erzählt.

Ram Das antwortet nicht und setzt sich vor seine Schüssel unter dem Hüttenvordach. Alle kauern sie nun in einer Reihe vor der Feuerstelle: Erst der Vater, hinter ihm der kleine Sohn, dann Schwiegermutter, Mutter und Tochter. In dieser Reihenfolge wird gegessen.

Zu Brot und Reis gibt es noch „bathua“, ein wildes Gras, das auch wie Gras schmeckt und als Gemüseersatz dient. Der Vater isst drei Stück Weizenbrot, Khushboo bekommt eines.

Immerhin: An diesem Abend kriegt sie etwas.

Georg Blume, 50, ist Indien-Korrespondent der taz

Richa Hansraj, 33, ist Dokumentarfilmerin in Delhi