Spätere Rente kommt früher

Kanzlerin Angela Merkel gibt Sozialminister Müntefering „Rückendeckung“ für seine Pläne, das Renteneinstiegsalter schon bis zum Jahr 2029 auf 67 zu erhöhen. SPD-Linke stellen jedoch Bedingungen und drohen: „Entschieden wird im Parlament“

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Die Proteste von Gewerkschaften und einigen SPD-Politikern sind wirkungslos geblieben: Die Bundesregierung verständigte sich gestern darauf, die Rente ab 67 schneller als ursprünglich angekündigt einzuführen. Die Anhebung soll nun schon bis 2029 abgeschlossen werden. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD noch eine Frist „bis spätestens 2035“ gesetzt.

Die jetzt im Kabinett vereinbarte Regelung würde nach ersten Berechnungen bedeuten, dass sich die Lebensarbeitszeit für alle, die 1964 oder später geboren wurden, um volle zwei Jahre erhöht. Die Verlautbarungen zu Beginn der schwarz-roten Regierungszeit hatten noch so geklungen, als ob sich erst die Geburtsjahrgänge ab 1970 auf eine Rente ab 67 einstellen müssten.

Der zuständige Sozialminister Franz Müntefering (SPD) sprach sich jedoch bereits seit Tagen für eine schnellere Erhöhung aus. Dafür war der Vizekanzler auch von einigen Unionspolitikern kritisiert worden. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder verkündete noch am Dienstag, er sehe „überhaupt keinen Grund“, die Rente ab 67 schneller einzuführen. Damit erweckte er den Eindruck, die SPD wolle in der Rentenfrage härter vorgehen als die Union. Dieser – für die SPD-Landtagswahlkämpfer verheerende – Eindruck wurde nun korrigiert. Kanzlerin Angela Merkel habe dem Vizekanzler „Rückendeckung gegeben“, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Aus Sicht der SPD wurde es dafür höchste Zeit. Die Ablehnung aus der Union hatte führende Sozialdemokraten verärgert – zumal vieles dafür spricht, dass Müntefering seine Pläne vorher mit Merkel abgestimmt hatte.

„Die große Koalition kann nur erfolgreich sein, wenn beide Partner auch gemeinsam schwierige Entscheidungen durchtragen“, erklärte SPD-Chef Matthias Platzeck. Deshalb begrüße er es, dass Merkel „endlich klar Position bezogen hat“.

Die Rente mit 67 sei „kein Herzensanliegen der SPD“, erklärte Platzeck. „Angesichts der demografischen Entwicklung ist diese Maßnahme aber unausweichlich, um die Rentenversicherung finanzierbar zu halten.“

Müntefering argumentierte ähnlich und kritisierte die zögerliche Unterstützung von Seiten des Koalitionspartners: „Die haben sehr auf Opposition gemacht und auf Populismus. Das kann man nicht lange ertragen.“

Die SPD-Linken im Bundestag lehnten die neuen Pläne nicht grundsätzlich ab. „Das bewegt sich im Rahmen des Koalitionsvertrags“, sagte ihr Sprecher Ernst-Dieter Rossmann der taz. Er knüpfte die Zustimmung des linken Flügels jedoch an Bedingungen: „Dann müssen auch die Chancen für ältere Menschen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden.“ Nötig seien außerdem Maßnahmen zum Schutz von Arbeitnehmern. „Es muss mehr Gesundheitsprävention geben, damit die Leute nicht verschlissen werden“, forderte Rossmann. Niemand dürfe erwarten, dass die Abgeordneten die Vorentscheidung des Kabinetts einfach absegnen: „Entschieden wird im Parlament“, betonte Rossmann. „Ein reines Rentenkürzungskonzept darf es unter keinen Umständen geben. Wir werden da noch sehr hart kämpfen.“

Nach den Plänen der Regierung soll das Renteneintrittsalter ab 2012 bis einschließlich 2023 um jeweils einen Monat pro Jahr erhöht werden. Ab 2024 sind es dann zwei Monate jährlich. 2029 wäre dann die Erhöhung des Rentenalters um zwei Jahre abgeschlossen. Wer 45 Jahre in die Rentenkassen eingezahlt hat, soll aber auch weiterhin mit 65 in Rente gehen können.