Netzausbautage in Schleswig-Holstein

WINDSTROM In einem neuen Online-Kataster können Windmüller nachschauen, ob es Engpässe in den Leitungen gibt. Ein Beteiligungssystem soll den Widerstand der Bürger senken

Gestern die Technik, heute das Geld: Zumindest symbolisch arbeitet Schleswig-Holstein am Ausbau der Leitungen, die gebraucht werden, um Strom aus küstennahen Windrädern und Biogasanlagen in den Süden zu schicken.

Zurzeit fassen die Trassen vielerorts nur einen Teil der Energie, bei heftigem Wind müssen die Rotoren weggedreht werden. Weil aber die rot-grün-blaue Landesregierung die Energiewende zur höchsten Priorität erklärt hat, stellte gestern in Kiel Umweltstaatssekretärin Ingrid Nestle (Grüne) gemeinsam mit Matthias Boxberger, Vorstand der Schleswig-Holstein Netz AG – Anteilseigner sind 200 Kommunen und Eon Hanse – ein Online-Portal vor, in dem Windmüller nachschauen können, ob es in ihrer Region Engpässe in den Leitungen gibt oder wann Umspannwerke ausgebaut sind.

Damit mit der Energie auch Geld fließt, sind heute Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zu Besuch beim Netzbetreiber Tennet, der in Heide die „Bürgeranleihe Westküstenleitung“ aus der Taufe hebt. Dabei können sich Anwohner in die geplante Hochspannungstrasse einkaufen und dereinst auf Rendite hoffen. Die Idee wurde bei Bürgerwindparks erprobt: Die Chance auf finanziellen Gewinn senkte in vielen Dörfern den Widerstand gegen den Bau von Rotoren.

Zurzeit werden 3,5 Prozent des Windstroms in Schleswig-Holstein nicht eingespeist. Windmüller erhielten im Vorjahr 37 Millionen Euro Entschädigung, die letztlich die Verbraucher zahlen, weil die Summe aufgeschlagen wird. „Das ist schon eine Hausnummer“, sagt Ministeriumssprecherin Nicola Kabel, weist aber darauf hin, dass die produzierte Wattleistung enorm gestiegen und in Relation dazu die „abgeriegelte“ Menge gleich geblieben sei.

Eon-Hanse-Sprecher Ove Struck benennt das Grundproblem: Ausgerechnet in den Regionen mit den dünnsten Netzen, die „berechnet waren, um ein paar Einzelgehöfte zu beliefern“, entsteht heute Energie wie von „drei bis vier Kernkraftwerken“. Sie hängen an Mittel- und Niederspannungsnetzen mit einer Länge von 50.000 Kilometern. Die größten Engpässe gebe es rund um die Hochspannungsnetze des Konkurrenten Tennet, erklärt Struck – aber immer wieder hakt es auch schon bei der Zuleitung zur dicken Trasse. Vielerorts liegt das an der Abstimmung: „Die Leitung Flensburg-Breklum dauerte zehn Jahre – neun für die Planung“, so Struck. Aber auch der Bau birgt Probleme: Für „normale“ Trafos, wie Eon Hanse sie für das Niederspannungsnetz braucht, beträgt die Lieferzeit bis zu zwei Jahre, Tennet wartet auf die Hochenergie-Trafos bis zu vier.

Trotz aller Verzögerungen und unnötiger Kosten durch die Entschädigung sei Energie aus Wind und Biogas made in Schleswig-Holstein dennoch billiger als der Durchschnittsstrom im Rest von Deutschland, sagt Kabel.  ESTHER GEISSLINGER