Jagd auf die „Prager Paten“

TSCHECHIEN Bei einer Großrazzia hat die Abteilung Organisierte Kriminalität die Regierungszentrale und Ministerien durchsucht. Mehrere Politiker sind in Haft

AUS PRAG ALEXANDRA MOSTYN

Im Kampf gegen die Korruption hat die tschechische Polizei am Donnerstag die Regierungszentrale und mehrere Ministerien durchsucht. Auch auf dem Prager Magistrat, dem Verteidigungsministerium, verschiedenen staatlichen und privaten Firmen im ganzen Land haben die Elitepolizisten der Abteilung Organisiertes Verbrechen Festnahmen getätigt und Razzien durchgeführt. Rund 40 Leute sollen auf der Liste der Polizei stehen. Prominenteste Person, die angeblich festgenommen wurde, ist Jana Nagyova, Kabinettschefin, engste Vertraute und angebliche Geliebte von Ministerpräsident Petr Necas. Aber auch weitere tschechische Politprominenz der regierenden Bürgerpartei ODS wie Petr Tluchor und Ivan Fuksa, ein Staatssekretär und ein ehemaliger Chef des militärischen Geheimdienstes sitzen in Haft. Entwischt sind der Polizei allerdings die sogenannten „Prager Paten“ Ivo Rittig und Roman Janousek, die jahrelang die Fäden in der Hauptstadt in den Händen hielten. Aus dem Prager Magistrat soll die Polizei mehrere Kästen mit Dokumenten geschafft haben. Besonders soll sie sich um Verträge zwischen der Stadt und Rittig und Janousek interessiert haben. Beide Verdächtige waren offensichtlich im Voraus von der Polizeiaktion informiert worden.

Über die Gründe für die Razzien schwieg sich die Polizei auch bei ihrer außerordentlichen Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag aus. Sie bestätigte nur, dass die Razzien an allerhöchster Stelle tatsächlich stattgefunden haben. Damit lässt sie Spekulationen freien Lauf. Von einem „gigantischen“ Skandal, der die Verknüpfung von Politik und Verbrechen belegt, sprach der sozialdemokratische Oppositionspolitiker Lubomir Zaoralek. Er glaubt, die Verhaftungen hingen mit der Finanzierung der ODS zusammen. „Falls sich das bestätigt, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Regierung Necas weitermacht“, so Zaoralek. Angesichts des Ausmaßes der ganzen Aktion ist wahrscheinlich, dass es hier ein Netz an Korruption und Klüngelei zerschlagen wird.

Mit der Festnahme seiner engen Vertrauten Nagyova ist die Situation für Ministerpräsident Necas mehr als brenzlig. „Ihr Problem ist auch das Problem des Premiers“, erklärt Zaoralek. Necas selbst hüllt sich allerdings in Schweigen. Er hat sich in seinem Büro im Regierungsamt verschanzt und will erst morgen wieder kommunizieren. Niemand weiß dabei so richtig, wie es Necas geht, der momentan auch privat eine Krise durchmacht, Spekulationen hinsichtlich seines Gesundheitszustands laufen daher heiß.

„Die Situation ist sehr ernst“, sagt die Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses, Miroslava Nemcova. Manche Kommentatoren sprechen schon von einem geschichtsträchtigen Skandal. Niemand glaubt daran, dass die Polizei einen Fehler gemacht hat. Genauso wenige glauben noch an das Überleben der Regierung.