Sorry, aber …

BERLIN taz/dpa/afp ■ Einen Tag nach den gewalttätigen Ausschreitungen in Damaskus und Beirut mehren sich international Stimmen, die im Streit um die Mohammed-Karikaturen zu Mäßigung und Gewaltfreiheit aufrufen. UN-Generalsekretär Kofi Annan appellierte gestern an die Muslime, Entschuldigungen dänischer Medien für die Veröffentlichung der Zeichnungen anzunehmen. Er verstehe, dass sie durch die Karikaturen verletzt seien und teile ihren Schmerz, sagte Annan während einer Konferenz in Dubai. „Aber ich kann keine Gewalt rechtfertigen, vor allem keine Angriffe gegen unschuldige Menschen“, betonte er und rief religiöse und weltliche Führer zu verstärktem Dialog zwischen ihren Gemeinschaften auf. Auch die Arabische Liga in Kairo veröffentlichte eine entsprechende Erklärung. Die EU-Kommission mahnte eine friedliche Debatte an und forderte mehr Schutz für ihre Vertretungen in 19 islamischen Ländern.

Die Proteste, die durch die Veröffentlichung von zwölf Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten ausgelöst worden waren, forderten inzwischen fünf Tote. In Afghanistan starben drei Demonstranten, im Libanon und in Somalia jeweils einer. Aufgebrachte Muslime demonstrierten gestern in Iran, Irak, Ägypten, Indonesien, Thailand, Indien, in den Philippinen und in den Palästinensergebieten.

In Teheran versuchten Demonstranten, die österreichische Botschaft in Brand zu setzen. Österreich hat zurzeit turnusmäßig den EU-Vorsitz.

Im Libanon trat Innenminister Hassan Sabeh nach den Ausschreitungen vom Vortag zurück. Christliche Gruppen hatten heftige Kritik daran geübt, dass die Sicherheitskräfte nicht konsequent genug gegen die Demonstranten vorgegangen seien. Sabeh erklärte vor Journalisten, die Sicherheitskräfte hätten die aufgebrachte Menge nur noch mit Waffengewalt in den Griff bekommen können. Für ein Blutbad habe er jedoch nicht die Verantwortung tragen wollen. Nach Angaben von Regierungschef Fuad Siniora waren unter den etwa 200 Festgenommenen mehr als die Hälfte Syrer oder Palästinenser.

In Polen gab der Nachdruck von zwei der Karikaturen in der Zeitung Rzeczpospolita unter dem Titel „Die Freiheit des Wortes ist keine Provokation“ der Forderung nach religiöser Zensur neue Nahrung. Es müsste erlaubt sein, die kontroversen Karikaturen zu zeigen, die zu den gewalttätigen Ausschreitungen in einigen arabischen Ländern geführt hatten, hieß es in dem Blatt. Ganz anders sah das Regierungschef Kazimierz Marcinkiewicz. Der Abdruck der Karikaturen gehe über die Grenzen einer wohlverstandenen Meinungsfreiheit hinaus. Er teile die Gefühle derjenigen, die sich durch die Veröffentlichung beleidigt fühlten. Kurz darauf entschuldigte sich auch Außenminister Stefan Meller öffentlich.

Haussender der neuen polnischen Regierung ist das fundamentalistisch-katholische Radio Maryja. Immer mehr Katholiken halten eine religiöse Zensur für richtig. Auch namhafte Intellektuelle wie Tadeusz Mazowiecki, Polens erster nichtkommunistischer Ministerpräsident 1989, oder Adam Boniecki, der Chefredakteur der katholisch-liberalen Wochenblatts Tygodnik Powszechny sprechen sich für eine solche Zensur aus – allerdings eher im Sinne einer Selbstbeschränkung der Medien. Radio-Maryja-Hörer hingegen, die sich fast schon permanent „religiös beleidigt“ fühlen, überziehen Künstler und Journalisten mit Klagen und Prozessen.

Unterdessen erklärte sich der Chefredakteur von Jyllands-Posten, Carsten Juste, dazu bereit, sich heute mit Repräsentanten verschiedener muslimischer Organisationen zu treffen. Dabei soll eine gemeinsame Erklärung zu den Mohammed-Karikaturen verfasst und anschließend veröffentlicht werden. Er fügte hinzu: „Aber wir können nicht versprechen, Muslime nie mehr zu kränken.“ G.L., RWO, B.S.