die taz vor zehn jahren über die massiven Vorwürfe gegen den nazi-jäger simon wiesenthal
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Die Botschaft des Panorama-Beitrages über Simon Wiesenthal ist dem Titel zu entnehmen: „Zerstörung einer Legende“. Daß der Film nicht „Eine tragische Figur“ oder so ähnlich heißt, ist Programm: Es geht nur um Zerstörung, Demontage, Entlarvung, Schuldüberführung, so, als ob Wiesenthal ein Kriegsverbrecher wäre und nicht 50 Jahre Kriegsverbrecher gesucht hätte. Und dies nicht als Justizbeamter im Namen des Volkes, sondern als Privatmann, verpflichtet allein den Opfern.

„Der Nazijäger überhaupt“ (Panorama) ist ein Lügner und Betrüger – das war der Tenor, gesungen von amerikanischen NS-Ermittlern, die nichts anderes tun, als auf einem Haufen Akten zu sitzen; von einem Sprecher des Jüdischen Weltkongresses, der mit Wiesenthal seit Jahren verkracht ist, sowie von zwei israelischen Geheimdienstlern, die naturgemäß von internationalem Teamgeist nichts halten. Wiesenthal sei „inkompetent“, „egomanisch“, verbreite „falsche Nachrichten“ und habe Ermittler auf die „falsche Spur“ gesetzt. Und am schlimmsten: Er habe belastende Dokumente über Kurt Waldheim, deren „Brisanz“ auch ein „Amateur“ hätte erkennen können, ignoriert und mit seinem „Persilschein“ Waldheim zur österreichischen Präsidentschaft verholfen.

Der Film ist eine einzige Sauerei, sein Höhepunkt der Satz von Panorama-Chef Joachim Wagner: Wiesenthal „ist mehr Maulheld als Held“. Zur Erinnerung: Die ganze Welt hat Mengele, Bormann und Eichmann gesucht, und gegen Waldheim ist ein Kriegsverbrecherprozeß nie eröffnet worden. Mit vier Fällen wird ein Mann erledigt, dessen Ermittlungen nachweislich Hunderte von Kriegsverbrechern auf die Anklagebank brachte, von denen im Film keine Rede war. Aber solche Kleinigkeiten interessiert die Buchhalter von Panorama nicht, erst recht nicht, daß Wiesenthals Karriere als „Nazijäger“ nur möglich war, weil die staatlichen Ermittler zum Jagen getragen werden mußten. Und die deutsche Nachkriegsgesellschaft die Ohren zuhielt. Selbst wenn Wiesenthal nicht einen einzigen „Fall“ gelöst hätte – er hat es im Unterschied zu den allerallermeisten probiert. Und dafür gebührt ihm Ehre und nicht Schmutz. Anita Kugler10. 2. 1996