Die kleine Wortkunde

Das amerikanische Spähprogramm Prism hat einen „großen Bruder“: TEMPORA. Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden hatte die Überwachungsoperation enthüllt, die von dem britischen Geheimdienst GCHQ und der NSA entwickelt wurde. Tempora zapft transatlantische Glasfaserkabel an, um E-Mails, Facebook-Nachrichten und Telefonate privater User zu speichern.

Das lateinische tempora (Zeiten) ist der Plural von tempus (Zeitabschnitt, günstige Gelegenheit, Verhältnisse), das in der Sprachwissenschaft die Zeitform eines Verbs bezeichnet. Tempora bezeichnet auch die Schläfen des Gesichts. In der Informationstechnik spricht man von „temporal“ bei der Speicherung zeitabhängiger Daten.

Natürlich beteuern die Entwickler von Tempora, bei ihrer Datenhortung nur dann genauer hinzuschauen, wenn man herausfinden wolle, was zwischen den Schläfen von Terroristen vor sich geht. Doch eine „günstige Gelegenheit“ macht bekanntlich (Daten-)Diebe. Wie Cicero bereits über den Senator Catilina klagte: „O tempora, o mores!“ („Was für Zeiten, was für Sitten!“). Zur Erinnerung: Catilina hatte eine Verschwörung in die Wege geleitet, um die Macht über die Römische Republik an sich zu reißen. Er wurde zum Staatsfeind erklärt und musste aus Rom fliehen. WENK