portrait
: Weltpolitiker mit einem Strich

Er ist einer fleißigsten Karikaturisten hierzulande, und er ist einer der stillsten. Klaus Stuttmann wird es wohl selbst am meisten wundern, dass eine Welle der Empörung aus dem fernen Iran an seinen Berliner Schreibtisch brandet. Aber in der momentan aufgeheizten Stimmung des Bilderstreits zwischen westlicher und islamischer Welt scheint es so, als ob jeder Karikaturist in seiner kleinen Zeichenstube mit einem Strich Weltpolitik machen kann. Und darüber würde der leise Stuttmann mit seinem mittlerweile ergrauten Haarzopf wohl am lautesten lachen – wenn er nicht selbst die Ursache wäre für den neuen Karikaturenstreit, mit allen unangenehmen Folgen. Erst mal ist er jedenfalls aus seiner Wohnung ausgezogen und abgetaucht.

Vorigen Freitag druckte der Berliner Tagesspiegel eine Stuttmann-Karikatur, die Spieler des iranischen Fußballteams mit Bombengürtel um den Leib zeigt. Das Resultat: Empörte Mails aus aller Welt, sogar Morddrohungen erhielt Stuttmann. „Ein Missverständnis“, meint der Zeichner, der sich mit seiner Form der Ironie gegen einen WM-Einsatz der Bundeswehr wandte und die niedrigen Beleidigungsschwellen völlig unterschätzt hat.

Dabei ist eine Ironie dieser Geschichte, dass einer der produktivsten tagesaktuellen Karikaturisten Deutschlands jetzt ausgerechnet über eine Bomben-Zeichnung zu fragwürdigem Ruhm gelangt. Den er sich als Autodidakt allerdings zäh erarbeitet hat. Nach seinem Studium der Kunstgeschichte belieferte Stuttmann anfangs vorwiegend linke Wochenblätter wie etwa die Volkszeitung. Seit 1989 erscheinen seine Karikaturen in einer beachtlichen Zahl von Tageszeitungen, darunter auch in der taz.

Stuttmann ist einer der wachesten Zeichner, weil er ein ausgeprägtes Verständnis für das politische Geschehen hat. Seine Komik ist geprägt von der Respektlosigkeit der Siebzigerjahre und lebt von schnellen Pointen wie von seinen dynamischen Figuren, die eher aus einer Comic-Tradition stammen. Stuttmanns Strich sieht man es gar nicht an, dass er nicht mehr auf Papier, sondern direkt am Computer entsteht, was seinem prägnanten schwarz-weißen Stil nicht die Spitze genommen hat. Viele Worte braucht er nicht unbedingt, es sei denn, um auf dem Laufenden zu bleiben. Wenn er ab 14 Uhr in seinem Kreuzberger Büro arbeitet, hört er ständig Radio und zeichnet sich hinein ins aktuelle Geschehen. Zwei Stunden später ist die erste Karikatur fertig.

In nächster Zeit wird Klaus Stuttmann es wahrscheinlich etwas ruhiger angehen mit seinen Zeichnungen. Und dabei wird er ständig den Kopf schütteln über das Krakeelige der Welt. MICHAEL RINGEL

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