„Schwedische Interessen“

Karikaturen-Streit 3: Schwedens Regierung stoppt aus vorauseilendem Gehorsam rechte Webseiten

STOCKHOLM taz ■ Eine Zeitung druckt die berüchtigten Mohammed-Karikaturen nach. Die Regierung sucht den Besitzer der Druckerei auf, in der die Ausgabe gerade gedruckt wird. Erklärt ihm, dass dies möglicherweise ernste Folgen für die Sicherheit des Landes haben könne, und veranlasst ihn so, auf den Stopp-Knopf zu drücken. Die Zeitung gelangt nicht an die Kioske. Undenkbar? Nicht ganz. Übersetzt auf die Internettechnik, machte dies das schwedische Außenministerium Ende letzter Woche.

Auf zwei Internetseiten der rechtsextremen Partei „Schweden-Demokraten“ – vertreten in einigen Kommunalparlamenten – waren die Jyllands-Posten-Karikaturen nachgedruckt bzw. zu einem eigenen Karikaturenwettbewerb aufgerufen worden. Eine Meldung darüber toppte einige Stunden später prompt die TV-Nachrichten einiger Fernsehsender im Libanon und Syrien. Tenor: Eine schwedische Partei verbreitet nun auch ungestraft die verwerflichen Karikaturen.

Der dänische Strudel

Die Regierung in Damaskus beklagte dies umgehend bei der schwedischen Botschaft. Worauf im Stockholmer Außenministerium die Angst ausbrach, nun ebenfalls in den dänischen Strudel gezogen zu werden. Man alarmierte nicht nur die Botschafter in den islamischen Ländern, umgehend klarzustellen, was für eine Partei mit welch minimaler Bedeutung dies war und welche Haltung die Regierung dazu hatte. Sondern wollte auch noch auf Nummer Sicher gehen, dass diese Karikaturen verschwänden.

Ein Außenamtsbeamter wurde persönlich beim Besitzer des Webbserverbetreibers „Levonline“ vorbeigeschickt und führte mit diesem ein ernstes Gespräch. Kurz darauf wurde dieser auch noch vom Verfassungsschutz Säpo kontaktiert. Worauf er die Seite abschaltete. Einige Stunden später klingelten zwei Säpo-Beamte beim Vorsitzenden der „Schweden-Demokraten“. Resultat dieses Gesprächs: Von der zweiten Internetseite verschwanden die Karikaturen. Nein, Druck war in beiden Fällen nicht ausgeübt worden, man habe lediglich über das aktuelle Gefahrenszenario informiert. Behaupten Säpo und Außenministerium.

Wie im Zweiten Weltkrieg?

„Wir haben doch keine Zensur in Schweden“, zeigt sich Meinungsfreiheitsexperte Jan Strid von der Universität Göteborg äußerst besorgt. Und sein Kollege Kent Asp zieht Parallelen zum Zweiten Weltkrieg. Da habe die Regierung Druck auf Chefredakteure ausgeübt, die nicht deutschfreundlich genug waren. Und Transporte von Zeitungen mit nazikritischen Texten gestoppt: „Äußerst zweifelhaft ist das. Es muss schon eine extreme Krisenlage herrschen, bevor man so agieren darf“, meint Asp.

Presseombudsman Olle Stenholm ist noch deutlicher: „In einer Demokratie darf eine Regierung das absolut nicht tun.“ An die Erklärung von Außenministerin Laila Freivalds, man müsse wohl reagieren dürfen, wenn „eine kleine Gruppe von Extremisten schwedische Interessen gefährdet“, und habe auch lediglich „informieren“ wollen, glaubt Stenholm „kein bisschen“: „Natürlich wollte man Druck machen, sonst wäre das Gespräch von vornherein sinnlos gewesen.“ REINHARD WOLFF