die taz vor dreizehn jahren über deutschland und die banane
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Was Bundeskanzler Helmut Kohl nicht schafft, der Banane gelingt es. Sie vereint das deutsche Volk. Einhellig wie nie zuvor verteufeln Ost- und Westdeutschland den heimtückischen europäischen Angriff auf ebenjene Frucht, die zu Deutschland gehört wie Regen zu Großbritannien. Denn Bananen in Deutschland, die stehen für Freiheit und Wohlstand. Unvergessen der Moment, als 1949 die erste Nachkriegsbanane im Hamburger Hafen mit Pomp und Musik begrüßt wurde.

Unvergessen auch die mutige Tat Konrad Adenauers, der 1957 im Vertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein zollfreies Bananen-Kontingent für sein Volk erstritt. „Die Banane ist eine Hoffnung für viele und eine Notwendigkeit für uns alle“, schmetterte der Kanzler seinerzeit durch den Bundestag.

Ein Satz, der 32 Jahre später wieder Geschichte machte, als die Bürgerinnen und Bürger der DDR die Mauer durchbrachen und die rote Fahne gegen gelbe Bananen eintauschten. Tiefe Zuneigung kennzeichnet seither das Verhältnis der Bundesbürger zur Banane: 14 Kilo werden im Westen, 24 Kilo im Osten des Landes pro Person und Jahr verschlungen.

Nun jedoch will die EG dem nationalen Fetisch ein Ende setzen. Statt der großen, bewährten Frucht aus Lateinamerika sollen ab 1. Juli die kleinwüchsigen Früchte aus EG-Ländern und deren ehemaligen Kolonien Deutschland auf dem schweren Weg aus der Rezession begleiten.Michaela Schießl, 16. 2. 1993