Populäre Geste

URUGUAY Der Exguerillero Pepe Mujica spendet als neuer Präsident vier Fünftel seines Monatsgehalts

PORTO ALEGRE taz | Seit Montag heißt Uruguays Präsident José Mujica alias „Pepe“. Auf der Plaza Independencia in Montevideo stülpte Vorgänger Tabaré Vázquez dem 74-jährigen Exguerillero und Blumenzüchter die weiß-blaue Präsidentenschärpe über. Zuvor hatte seine Frau Lucía Topolansky ihm im Parlament den Amtseid abgenommen – sie ist Senatspräsidentin.

Den Weg zwischen diesen beiden Staatsakten legte Mujica mit Anzug, aber ohne Krawatte in einem offenen chinesischen Elektroauto zurück, dem „Pepemobil“. Dabei stieg er mehrfach aus, um seine Anhäger zu grüßen, die zu Zehntausenden mit den rot-blau-weißen Fahnen des Linksbündnisses Frente Amplio (Breite Front) seinen Weg säumten.

Der Ärger im Vorfeld schien vergessen. Zur Finanzierung der Feierlichkeiten hatte Mujica zehn Firmen zu Spenden à 15.000 Dollar aufgerufen – um das Staatssäckel zu entlasten, wie er sagte. Nach heftigen Protesten von Gewerkschaften gegen die „Käuflichkeit der Politik“ musste er zurückrudern. Seine Genügsamkeit zeigte er anders: Gut 8.000 Euro pro Monat, über vier Fünftel seines Präsidentengehalts, will er für soziale Zwecke spenden. Zudem wird er weiterhin in seinem kleinen Bauernhaus am Rande Montevideos wohnen bleiben.

Politisch will der „libertäre Sozialist“ Mujica an den sozialdemokratischen Kurs seines Vorgängers Vázquez anknüpfen, unter dem er Landwirtschaftsminister war. „Fünf weitere Jahre professioneller Wirtschaftspolitik“ stellte er in Aussicht und versprach: „Wir werden weiterhin ein Vaterland für alle und mit allen aufbauen.“ „Bis auf Dogmatismus“ sei in der Regierung alles möglich, die Abschaffung des Elends und die Halbierung der Armut erklärte er zu seiner „großen Verpflichtung“.

Vor allem im „abgelegenen und vergessenen Hinterland“ sollen in den kommenden 30 Jahren Bildungssystem und Infrastruktur verbessert werden, etwa mit dem Wiederaufbau des Eisenbahnnetzes. Auch zur lateinamerikanischen Integration sieht er keine Alternative, trotz Rückschlägen im Handelsbündnis Mercosur: „Noch sind wir bei dem Versuch gescheitert, ein großes Vaterland zu schaffen“, sagte er an die Adresse seiner zahlreichen KollegInnen.

„Mujica ist der Präsident, der uns und den tiefsten Wurzeln unserer nationalen Identität am ähnlichsten ist“, erklärte der Schriftsteller Eduardo Galeano, „er ist schlicht, die Leute erkennen sich in ihm, und deshalb löst er so viel Begeisterung und Hoffnung aus.“ Diese Stimmung dürfte zumindest noch eine Weile anhalten. GERHARD DILGER

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