„Lauter solide Häuser“

Eine spezielle Heimat fand der weit gereiste Schriftsteller an Alster und Elbe: Hamburger Wohnorte und andere Stätten der Erinnerung an den gestern vor 150 Jahren im Pariser Exil verstorbenen Dichter Heinrich Heine

Von 27 Kapiteln sind sieben Hamburg gewidmet – und der dortigen Stagnation

von BERNHARD RÖHL

„Schöne Wiege meiner Leiden“ nannte Heinrich Heine in einem Gedicht seiner Sammlung „Buch der Lieder“ die Stadt Hamburg. Seine Kinderjahre hatte der 1797 als Harry Heine geborene Dichter in Düsseldorf verlebt, betrachtete die Hansestadt aber gleichwohl als seine spezielle Heimat. Zwischen 1815 und 1844 führten ihn insgesamt 15 Besuche an die Elbe.

So arbeitete er von 1816 bis 1819 als Lehrling und Kaufmann in der Kleinen Bäckerstraße 47. Im März 1819 musste Heine aufgeben: Neben der Wirtschaftskrise war es wohl auch die mangelnde Begabung, die seinen Versuch, ein Tuchhändler zu sein, beendete. Erfolgreicher war da der Vater des Dichters, Samson Heine, als Geschäftsmann gewesen. Als dieser schwer erkrankte und seine Düsseldorfer Firma aufgeben musste, forderte ihn sein Bruder, der Bankier Salomon Heine, zum Umzug auf. So kam, nach einem Aufenthalt in Lüneburg, die Familie im Sommer 1828 in die Hansestadt. Am 2. Dezember starb Samson Heine und wurde drei Tage später auf dem jüdischen Friedhof in der Altonaer Königstraße beigesetzt.

Als besonders innig gilt die Beziehung Heinrich Heines zu seiner Schwester Charlotte. 1824 hatte er ihr das Gedicht „Mein Kind, wir waren Kinder“ gewidmet. Monate zuvor, am 22. Juni 1823, hatte Charlotte in den Vierlanden den Makler Moritz Embden geheiratet; Heine hatte an der Hochzeit teilgenommen.

Nach dem Tod ihres Mannes im März 1866 lebte Charlotte bis zum Oktober 1899 im Haus Esplanade 39, wo sie 96-jährig starb. Ein Reliefporträt Heines wurde am 17. Februar 1946, aus Anlass seines 90. Todestages, an diesem Haus angebracht. Zuvor prangte die Plakette am Gebäude der Campe-Verlage. Mit dem Verleger Julius Campe hatte der Dichter 1826 einen Vertrag über die Herausgabe seiner Werke abgeschlossen. Bald nach Beginn der NS-Diktatur erhielt der Maurer Gustav Fiebelkorn den Auftrag, das Heine-Relief vom Gebäude zu entfernen. Fiebelkorn nahm das Wagnis auf sich, die Plakette zu verstecken. Das Haus Esplanade 39 wurde später abgebrochen, das Relief fand seinen neuen Platz am Sitz des Verlags Hoffmann und Campe.

1808 hatte der Onkel des Dichters an der Elbchaussee in Ottensen ein Grundstück gekauft, auf dem er einen Landsitz errichten ließ. Die Villa ist längst verschwunden, erhalten blieb einzig ein 1832 erbautes Gartenhaus. Es steht seit 1962 unter Denkmalschutz, wurde 1979 für die Öfffentlichkeit geöffnet und ist heute eine Außenstelle des Altonaer Museums. Eine Dauerausstellung erinnert an den Bankier und seinen berühmten Neffen.

Viel ist berichtet worden über die Konflikte zwischen Salomon und Heinrich Heine; dieser indes liebte seinen Onkel trotz aller Differenzen beständig. Salomon, befand Heinrich Heine, sei edel und gut, wenn er auch als Löwe in der Menagerie einmal brülle. Während Salomons Frau es gerne gesehen hätte, wenn Heinrich ihre Tochter Amalie geheiratet hätte, wollte der Onkel keinen schriftstellernden Schwiegersohn. Die unglückliche Liebe zu Cousine Amalie veranlasste Heine zur erwähnten Formulierung von der „Schönen Wiege meiner Leiden“.

Zu Anfang des Jahres 1830 wohnte Heinrich Heine im Neuen Wall Nr. 119 bei dem Mediziner Heinrich Christoph Kluth. Nachdem seine Versuche, in Hamburg eine Anstellung zu finden, erfolglos blieben, beschloss der Dichter, sein Glück in Paris zu suchen. Im Mai des folgenden Jahres traf er in der französischen Hauptstadt ein, wo er hoffte, sich in seinen Schriften für ein „ganzes, großes, freyes Deutschland“ aussprechen zu können. Doch auch hier ging ihm Hamburg nicht aus dem Sinn. An der Seine schrieb er „Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“, worin er zu Beginn feststellt, Hamburg sei „eine gute Stadt; lauter solide Häuser. Hier herrscht nicht der schändliche Macbeth, sondern hier herrscht Banko.“ Den Jungfernstieg bezeichnete er als den „schönsten Spaziergang der Söhne und Töchter Hammonias“.

1841 heiratete Heine seine geliebte Mathilde. Zwei Jahre später, vom 29. Oktober bis zum 7. Dezember 1843 besuchte er die Hamburger Verwandten und verhandelte hier mit seinem Verleger Campe. Im Juli des folgenden Jahres kam er erneut in die Hansestadt und blieb bis zum 10. Oktober. Die literarische Frucht dieser letzten Reise war das Versopus „Deutschland – Ein Wintermärchen“, eine der bedeutendsten Satiren der Weltliteratur. Von den 27 Kapiteln sind sieben ausschließlich Hamburg gewidmet – und der dortigen politischen Stagnation.

Noch im Sommer 1844 hoffte Heine, er könne mit Hilfe seiner Schwester eine Wohnung für seine Rückkehr nach Hamburg finden. 1848 erkrankte er schwer, und blieb bis zu seinem Tod am 17. Februar 1856 – gestern vor 150 Jahren – in seiner Pariser „Matratzengruft“ gefangen.