Brechmittel-Arzt mit Einkommen

LANDGERICHT Im Brechmittel-Prozess ging es am Dienstag um die persönlichen Verhältnisse des angeklagten Polizeiarztes Igor V. Dieser ist seit Anfang Juni auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben

40 Fortbildungen hat V. absolviert, darunter ein Seminar, mit dem er den Fachkunde-Nachweis „Rettungsdienst“ erwarb

Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten Igor V. wurden am Dienstag auf einem sehr kurzen Termin im Brechmittel-Verfahren verhandelt. Dem Polizeiarzt wird vorgeworfen, den aus Sierra Leone stammenden Laya Condé 2004 mit der damals üblichen Vergabe von Brechmitteln und dem Nachspülen von Wasser mittels Nasensonde umgebracht zu haben. Zwei Freisprüche wurden vom Bundesgerichtshof bereits wieder aufgehoben.

Verlesen wurden zunächst Feststellungen, die bereits im letzten Verfahren 2011 getroffen wurden: V., der in grauem Anzug und dunkelgrauem Hemd auf der Anklagebank Platz nahm, äußerte sich dazu nicht persönlich, sondern ließ seinen Anwalt sprechen. 1963 in Kasachstan geboren und aufgewachsen, absolvierte er nach dem Militärdienst ein Medizinstudium in Kasachstan. Zwei Jahre lang arbeitete er als Gerichtsmediziner, bis er Ende 1993 nach Deutschland übersiedelte.

Er absolvierte Sprachkurse, hospitierte vier Wochen in der Unfallchirurgie im St. Jürgen-Krankenhaus, dem heutigen Klinikum Bremen-Mitte. 1997 erteilte ihm die Bremer Gesundheitssenatorin die Approbation. Einige Zeit arbeitete er in der St. Jürgen-Klinik als Assistenz-Arzt am Institut für Rechtsmedizin und war später unter deren Leiter Michael Birkholz beim Ärztlichen Beweissicherungsdienst angestellt, der damals in Bremen für die Brechmittel-Prozeduren zuständig war – ein Verfahren, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2006 als „unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ verurteilte. Igor V. soll 100 bis 200 solcher „Exkorporationen“ durchgeführt haben, bei Condé soll es das erste Mal unter Zwang geschehen sein.

Fast 40 Fortbildungen hat V. absolviert, darunter ein 80-stündiges Seminar, mit dem er den Fachkunde-Nachweis „Rettungsdienst“ erwarb. Seit Anfang Juni ist V. auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben. Seinen aktuellen Netto-Verdienst bezifferte er auf 3.000 Euro.

Der Lebenslauf und die Lebensumstände des Angeklagten werden in der Urteilsfindung gewürdigt. Der Ausbildungsweg Igor V.s hatte im ersten Prozess 2008 zu einem Freispruch geführt, da davon ausgegangen wurde, V. habe wegen mangelnder Qualifikation seine „objektiven fachlichen Fehler subjektiv nicht erkennen“ können, wie es damals hieß.

Dazu, wie wahrscheinlich eine Einstellung im weiteren Prozess-Verlauf noch ist, wollte die Vorsitzende Richterin Barbara Lötzel sich gegenüber der taz nicht äußern.  KIS

Weitere Prozesstermine: 23. 7., 29. 7., 31. 7., jeweils 9.15 Uhr