Kein Streikrecht unterm Kirchendach

BESCHÄFTIGTE Arbeitsgericht bestätigt den rechtlichen Sonderstatus kirchlicher Einrichtungen

Für Beschäftigte der Kirche gilt eine besondere „Solidaritätspflicht“

HAMBURG taz | Die rund 1 Million Sozialarbeiter, Pfleger und Ärzte, die für die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und das Diakonische Werk arbeiten, haben auch weiterhin kein Streikrecht. Das bestätigte gestern in erster Instanz das Arbeitsgericht Bielefeld. Dem Argument der Arbeitgeber, Arbeitskämpfe passten nicht zur besonderen Verbundenheit in einer kirchlichen „Dienstgemeinschaft“, wollte die Richterin nicht widersprechen. Die Gewerkschaft Ver.di, die das Urteil einen „Schlag ins Gesicht“ nannte, will die Grundsatzfrage nun durch alle Instanzen weitertragen.

In Krankenhäusern der Diakonie in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen hatten sich im vergangenen Jahr rund 300 Mitarbeiter an Warnstreiks von Ver.di beteiligt. Für sie hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Löhne seit 2004 nicht mehr erhöht. Mitarbeitervertreter aus zehn Bundesländern beklagten Ende Oktober in einem Forderungskatalog mit dem Titel „Tarifverträge statt kollektives Betteln“, dass sich die EKD aus der allgemeinen Lohnentwicklung ausgeklinkt habe.

Auf die Warnstreiks reagierte die Diakonie mit der Drohung, die Teilnehmer abzumahnen – und klagte gegen Ver.di, „um endlich Klarheit zu schaffen“, wie Günther Barenhoff vom Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe sagt.

Zwar ist das Streikrecht im Grundgesetz garantiert. Für die „kirchliche Selbstbestimmung“ verweist das Grundgesetz jedoch auf die Weimarer Reichsverfassung – und die Kirchen legen deren Text als Beschränkung des Streikrechts aus. Eine Sichtweise, die auch von den meisten Arbeitsrechtlern unterstützt wird.

Man werde damit der besonderen „Solidaritätspflicht“ in kirchlichen Betrieben gerecht, sagt etwa der Bonner Rechtsprofessor Gregor Thüsing. Gerade gegen diese Vorstellung vom diakonischen Unternehmen als religiöser Gemeinschaft wendet sich Ver.di. „Die tatsächlichen Interessengegensätze zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern werden dadurch überspielt“, sagt Georg Güttner-Mayer, bei der Gewerkschaft für die Kirchen zuständig. In Wirklichkeit agierten und konkurrierten diakonische Unternehmen auf dem Markt wie andere Unternehmen.

RON STEINKE