Hertha blickt in trübe Zukunft

Nach der 1:2-Niederlage gegen Schalke regiert unter den Herthanern die Winterdepression. Mancher gibt etwas verwirrt zu, nicht Fußball spielen zu können, mancher verbreitet Durchhalteparolen. Und für Trainer Falko Götz wird es langsam eng

von ANDREAS RÜTTENAUER

Dick van Burik stand nach dem Spiel mit hängenden Schultern vor den Journalisten. Der wieder genesene Innenverteidiger von Hertha BSC sollte erklären, warum es wieder mal nicht geklappt hat mit einem Sieg. Seine Antwort ließ aufhorchen: „Wir wissen, dass wir nicht gut Fußball spielen können“, sagte der Holländer. „Nur mit solchen Auftritten wie heute können wir versuchen, zum Erfolg zu kommen.“ Nur fürs Protokoll: Ironisch meinte van Burik dies nicht.

Die Berliner hatten gerade 1:2 gegen den FC Schalke 04 verloren und zu keinem Zeitpunkt der Partie den Eindruck erweckt, sie könnten sich aus ihrer Krise befreien. Wie schon nach dem blamablen Auftritt im Uefa-Cup am Mittwoch, als Rapid Bukarest gegen unwillig wirkende Berliner, ohne Mühe mit 1:0 gewinnen konnten, verabschiedeten die Fans die Spieler mit Pfiffen.

Torwart Christian Fiedler fand das ungerecht. „Man hat doch gesehen, dass die Mannschaft wollte“, meinte er und fügte an: „Wir müssen jetzt alle zusammenhalten: Spieler, Zuschauer und auch Journalisten.“ Er fühlt sich offensichtlich ungerecht behandelt.

Spielmacher in der Kritik

Marcelinho sagte, er habe weniger Probleme mit den Medien. Der Spielmacher, der seit Wochen in der Kritik steht, meinte, er sei jetzt 30 Jahre alt und könne damit umgehen, wie über ihn geschrieben werde. Er hatte in den letzten Wochen besonders harte Prügel in der Presse bezogen – Marcelinho war für viele der Sündenbock für die Hertha-Krise. Dabei spielte er nicht schlechter als seine Kollegen. Er hat sich ihrem Niveau angepasst.

Trainer Falko Götz wollte Konsequenzen ziehen und kündigte an, Marcelinho eine Denkpause verpassen zu wollen. Es wurden viele Gespräche geführt unter der Woche. Es wurde getagt, der Mannschaftsrat wurde nach seiner Meinung gefragt. Ergebnis: Marcelinho durfte gegen Schalke auflaufen. Ein starker Trainer hätte dieses Spielchen wohl nicht mitgemacht. Herthas Nummer zehn hat wie seine Kollegen einen engagierten Auftritt hingelegt, dennoch gelang ihm – wie allen Herthanern – nicht viel. Gegen spielerisch überlegene Schalker kämpften die Berliner vergeblich an. Auch eine Umstellung im System brachte keine Verbesserung des Offensivspiels mit sich. Erstmals seit langem durften mit Marko Pantelic und Vaclav Sverkos zwei Sturmspitzen auflaufen. Echte Chancen hatten sie beide nicht.

Nur Manager Dieter Hoeneß zeigte sich angetan von der Systemumstellung. „Als ehemaliger Stürmer habe ich schon immer die Variante mit zwei Stürmern bevorzugt.“ Eine Kritik am Coach? „An einer Trainerdiskussion beteilige ich mich nicht“, stellte Hoeneß klar. Götz selbst regierte unwirsch auf die Frage, ob er glaube, dass sein Job gefährdet sei. „Was soll ich mir da heute Gedanken machen“, blaffte er auf der Pressekonferenz, setzte sich dann wieder zurecht und kündigte an, dass er die Mannschaft nun „in aller Ruhe“ auf das Uefa-Cup-Rückspiel in Bukarest vorbereiten wolle.

„Beschissene Momente“

Dass Götz einer der wenigen ist, die den ausbleibenden Erfolg der Berliner mit Schicksalsschlägen zu erklären versucht, dürfte seine Position in der nunmehr eröffneten Trainerdiskussion nicht unbedingt stärken. „Wir haben die Gegentore in den beschissensten Momenten kassiert“, jammerte Götz. Da mag er Recht haben. Der Schalker Gerald Asamoah traf kurz nach dem Anpfiff (6.) Zlatan Bajramovic (45.) kurz vor der Pause. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Schalker überlegen agierten, so lange sie zu elft waren. Nach der Gelb-Roten Karte für Fabian Ernst (66.) traten sie noch konzentrierter auf, und die Berliner kamen zu keiner einzigen Torchance mehr.

Der zwischenzeitliche Ausgleich für Hertha durch Alexander Madlung (33.) war ein Zufallsprodukt nach einer Standardsituation. Wenn die Berliner ihre Undiszipliniertheiten nicht abstellen, wird es so schnell nichts werden mit dem ersten Pflichtspielsieg seit dem 4. Dezember 2005 (2:1 in Leverkusen). Wieder nämlich wurde ein Berliner vom Platz gestellt. Gilberto sah in der 85. Minute Gelb-Rot.

Nur einen gibt es in der Mannschaft, der sich langsam nach unten orientiert. „Wir haben 30 Punkte, jetzt müssen wir was tun“, merkte Nico Kovac an, und fast hört es sich an, als stecke Hertha schon mitten im Abstiegskampf.