Brause und Medizin

Erfindung Lebenswichtige Mineralsalze werden in Cola-Kästen an durchfallkranke Kinder ausgeliefert. In Sambia funktioniert das Erste-Hilfe-Päckchen bald ohne die Unterstützung Coca-Colas

VON CATHERINE GALLOWAY

Warum bekommt man in der sich entwickelnden Welt in fast jedem abgelegenen Dorf eine Flasche Coca-Cola zu kaufen, aber nicht ein einziges Päckchen Mineralsalze? Für ein Kind in Sambia ist Durchfall eine alltägliche, aber lebensbedrohende Krankheit, die jedoch auf einfache Weise heilbar ist.

Die rettenden Mineralsalze kosten so gut wie gar nichts, aber der einzige Laden im Dorf, drei Stunden vom nächsten Gesundheitszentrum entfernt, hat sie nicht vorrätig. Dafür Waschpulver, Öl zum Kochen, Plastikeimer und die unerlässliche Coca-Cola. Wieso kommt Cola dorthin, aber kein Medikament? Wie ist das möglich? Und wie kann einem kranken Kind dennoch geholfen werden?

Das waren Fragen, die sich der britische Entwicklungshelfer Simon Berry vor zwanzig Jahren in einer abgelegenen Ecke Nordost-Sambias stellte. Aber damals, so sagt er heute, war es unmöglich, Kontakt zu Coca-Cola aufzunehmen, um eventuell deren Vertriebswege zu nutzen, nicht zuletzt auch deswegen, weil ihm als einziges Kommunikationsmittel nur ein staubiges Telexgerät zur Verfügung stand. Außerdem war damals der Begriff soziale Verantwortung von Unternehmen noch nicht in aller Munde. „Aber“, so sagt Simon Berrys Frau Jane über Skype aus der sambischen Hauptstadt Lusaka lachend, „Simon ist kein Typ, der eine Idee einfach aufgibt.“ Berry sprüht nur so vor Ideen, während Jane sich um die Machbarkeit kümmert. Sie hatte schließlich die Lösung für die Umsetzung seiner Idee: Den Raum zwischen den Flaschen nutzen, den niemand sonst in Anspruch nimmt. Und so wurde das ColaLife Hilfe-Päckchen geboren. Aber nicht sofort.

Denn erst kehrten die Berrys ins Vereinigte Königreich zurück, gequält von dem Bewusstsein, dass Durchfall die zweithäufigste Todesursache für Kinder unter fünf Jahren ist. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben daran jedes Jahr 760.000 Kleinkinder. Und die Berrys wussten, sie hatten eine Lösung.

Erst 2008, als Berry seine Idee über Facebook verbreitete, lud ihn Coca-Cola zu einem Treffen nach Daressalam, der Hauptstadt Tansanias, ein damit er ihr lokales Vertriebssystem kennenlernen konnte – der Durchbruch für ColaLife. Inzwischen hatten die Berrys die an ihrem Küchentisch entwickelten Modelle verworfen und die Entwicklung des Designs der PI Global überlassen, einer professionellen britischen Verpackungsfirma. Da sich Unternehmen und Medien zunehmend interessiert zeigten und die Berrys zudem eine Förderung durch das englische Entwicklungsministerium bekamen, konnten sie ihre Jobs für zwei Jahre aufgeben und nach Sambia zurückkehren, um sich voll und ganz der ersten umfassenden Erprobung von ColaLife zu widmen. Jane sagt: „Jetzt war für unsere Idee offenbar der richtige Zeitpunkt gekommen.“ Doch als die Berrys Ende 2011 mit der Erprobung ihrer Idee auf dem Land begannen, stellten sie fest, dass sie die üblichen Mineralsalz-Päckchen, die für einen Liter Trinklösung gedacht waren, für sie unbrauchbar waren. Ein Liter für ein krankes Kind sei viel zu viel, erklärten die Dorfbewohner. Das ColaLife Team entwickelte kleinere Beutel für eine Dosis Mineralsalze, die für genau 250 ml Wasser ausreicht.

Heute, drei Monate vor Ende der Erprobungsphase, ist die Nachfrage nach dem Kit Yamoyo, der Lebensschachtel, so groß, dass die örtlichen Ladenbesitzer beim Einkauf in der Stadt gleich 70 Stück auf einmal kaufen.

Die erstaunlichste Erkenntnis für Berry war dabei, dass ColaLife auch ohne Coca-Cola funktioniert. Nicht dessen Vertriebsnetz ist entscheidend für die Verbreitung des Produkts, sondern die lokale Wertschöpfungskette. Wenn für alle Beteiligten ein kleiner Verdienst abfällt, ohne den Preis zu stark zu heben, verkauft sich ColaLife auch ohne ein einziges Fahrzeug.

Im September geht die Erprobungsphase zu Ende. Stimmen die Ergebnisse, soll der regionale und nationale Vertrieb des Kit Yamoyo beginnen. Simon betont: „Die Freude, die die Mütter in den entlegenen ländlichen Gebieten an unserem Produkt haben, spornt uns an, die Verbreitung der Hilfe-Päckchen voranzutreiben.“ Der erste Schritt dazu ist getan: Die heilenden Mineralsalze gelangen jetzt auch in entlegene Dörfer in den ländlichen Gebieten Sambias. Ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr.

Aus dem Englischen von Heike Brandt.