Holocaust-Leugner leugnet nicht mehr

Der umstrittene britische Historiker David Irving gibt sich bei seinem Prozess vor dem Wiener Landesgericht geläutert und ringt sich sogar eine Entschuldigung ab. Jetzt ist auch dem Idol der Neonazis die Existenz von Gaskammern in Auschwitz bekannt

Befürchtete Sympa- thiekundgebungen oder Nazi-Parolen blieben aus

AUS WIEN RALF LEONHARD

Dass David Irving, der umstrittene Historiker und Gaskammern-Leugner, bereit war, sich vor dem Wiener Schwurgericht schuldig zu bekennen, war abzusehen gewesen. Dass er aber vor dem Richter und den neun Geschworenen geradezu reuig Abbitte leisten würde, kam überraschend. Der Mann, der sich gestern wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung nach dem so genannten Verbotsgesetz verantworten musste, war nicht jener arrogante Blender, der Rechtsradikalen angeblich historisch belegte Argumente für die Verharmlosung der Nazi-Gräuel lieferte. Noch unlängst hatte sich der Brite als eitler Pfau gegeben, der aus der Empörung über seine Provokationen Befriedigung saugt. Jetzt sah man einen alternden Mann, der dem Vorsitzenden bereitwillig Auskunft gab und die meisten seiner umstrittenen Behauptungen widerrief oder zumindest stark relativierte.

Der größte Saal, den das Wiener Landesgericht zu bieten hat, war bis auf den letzten Platz besetzt. Befürchtete Sympathiekundgebungen oder Nazi-Parolen blieben zur Erleichterung des Vorsitzenden aus. Staatsanwalt Michael Klackl kam mit einer dicken Akte, um die Zitate aus Vorträgen, Büchern und Interviews, die den Angeklagten seiner Meinung nach als gefährlichen Demagogen und Geschichtsverfälscher entlarven, notfalls belegen zu können. Seine zahlreiche Fanpost belege, dass Irving zum Märtyrer des weltweiten Rechtsextremismus stilisiert werde. Dieser bestätigte, dass er unter rund 600 Briefen, die er in seiner Zelle bekommen habe, nur ein Hassschreiben entdeckt habe.

Auf der Verteidigungsbank erschien, anders als auf der rechtsextremen Homepage Wiener Nachrichten Online (WNO) gemeldet, nicht der einschlägig bekannte Neonazi-Anwalt Herbert Schaller, sondern Elmar Kresbach, der die Harmlosigkeit seines Klienten ins Zentrum seines Plädoyers stellte. Für das scharfe Verbotsgesetz habe er Verständnis, allerdings müsse aus rechtsphilosophischer Sicht die Frage gestellt werden, ob eine solche Einschränkung der Meinungsfreiheit wünschenswert sei.

Dementsprechend einsichtig gab sich auch der Angeklagte. „Ich muss mich entschuldigen bei den Leuten, dass ich meine Worte nicht immer auf die Goldwaage gelegt habe“, sagte Irving, als ihn der Richter fragte, ob es ihm Leid tue, dass er Auschwitz-Überlebenden attestiert hatte, sie seien Fälle für die Psychiatrie.

David Irving war im vergangenen November in der Steiermark auf Grundlage eines Haftbefehls von 1989 festgenommen worden. Damals hatte er in Vorträgen, Pressekonferenzen und einem Interview behauptet, die Existenz von Gaskammern in Auschwitz sei ein Märchen und Hitler hätte „seine schützende Hand über die Juden“ gehalten.

Das mit den Gaskammern sieht Irving seit fast 15 Jahren nicht mehr so. Nach einem Vortrag in Buenos Aires im Oktober 1991 habe ihm ein älterer Herr 600 Blatt privater Aufzeichnungen von Adolf Eichmann übergeben. „Das war für mich der erste Beweis, dass es dort Tötungen gegeben hat.“ Was Hitlers „schützende Hand betrifft“, so würde Irving das nicht mehr so formulieren. Er hat aber Dokumente gesehen, aus denen er ableitet, dass Hitler 1942 die „Endlösung der Judenfrage“ auf nach dem Krieg verschoben sehen wollte.

Dass er von der Neonazi-Szene als Held gefeiert wird, stört Irving nicht besonders. Zwar gab er an, dass er über den Charakter der rechtsextremen Burschenschaft „Olympia“, die ihn vergangenen November zu einem Vortrag nach Österreich geladen hatte, nicht Bescheid wusste. Doch: „Auch wenn ich es gewusst hätte, hätte ich nicht verzichtet.“ Denn: „Mir würden sie zuhören, wo sie anderen Historikern nicht zuhören würden.“ Nämlich um zu erfahren, dass es den Holocaust doch gegeben hat. Die Verhandlung dauerte bei Redaktionsschluss noch an.

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